Berechnung von Anzugsdrehmomenten bei Schrauben - Welche Rolle spielt die Nachgiebigkeit?

In diesem Artikel erklären wir die Berechnung der Anzugsdrehmomente bei Schrauben und Schraubenverbindungen. Schraubenverbindungen sind eines der am häufigsten verwendeten Verbindungsarten. Sie werden in einer Vielzahl von Anwendungen im Maschinenbau eingesetzt, zum Beispiel für Sondermaschinen, in der Luft- und Raumfahrt, für 3D-Druck und in der Medizin-, Pharma- und Automobilindustrie.

Schraubenverbindungen stellen eine sichere und effiziente Verbindung zwischen zwei oder mehreren Bauteilen her. Die Festigkeit einer Schraubenverbindung hängt unter anderem vom angelegten Anzugsmoment ab, das am Schraubenkopf aufgebracht wird. Daher ist es wichtig, das richtige Anzugsdrehmoment zu berechnen, um die Schraubenverbindung zuverlässig und sicher zu machen.

Anzugsdrehmoment und Vorspannkraft - Eine grundlegende Einführung

Bevor wir uns der Berechnung von Anzugsdrehmomenten widmen, ist es wichtig zu verstehen, was genau Anzugsdrehmoment und Vorspannkraft sind.

Die Vorspannkraft ist die Kraft, die in axialer Richtung einer Schraube wirkt, wenn diese angezogen wird. Sie ist ein Resultat des Anzugsmoments, das auf die Schraube ausgeübt wird. Um eine höhere Vorspannkraft zu erreichen, muss das notwendige Anzugsmoment erhöht werden.

Eine ausreichende Vorspannkraft ist notwendig, um die Schraubenverbindung sicher und zuverlässig zu machen.

Überschreitet jedoch die geforderte Vorspannkraft die zulässige Belastung der Verbindungsteile in einem höheren Umfang als die Nachgiebigkeit (Nachgeben des Materials ohne bleibende Schäden - elastischer Bereich im Spannungs-Dehnungs-Diagramm) der einzelnen Teile ermöglicht, kommt es zum Versagen des überlasteten Bauteils.

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Berechnung des Anzugsdrehmoments von Schrauben

Die Berechnung des Anzugsdrehmoments bei Schrauben kann komplex sein und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine gängige Methode zur Berechnung des Anzugsdrehmoments ist die Verwendung der Näherungsformel für das Anzugsdrehmoment

T_{fA} = 0.35 k \times (1+\frac{1}{Q}) \times \sigma_y \times A_S \times d

und die Axialkraft der Schraube:

F_f = 0.7 \sigma_y \times A_S
  • TfA ist das Anzugsmoment
  • k ist ein Drehmomentkoeffzient, der von verschiedenen Parametern wie Belastungsart, Reibung, Schmierung und Schraubentyp abhängt.
  • Q ist ein Anzugskoeffizient
  • d ist der Nenndurchmesser der Schraube
  • Ff ist die Axialkraft bei 70 % der Nennstreckgrenze, die wir erreichen möchten.
  • σy ist die Zugfestigkeit des Materials der Schraube
  • AS ist die effektive Querschnittsfläche der Schraube.

Um das erforderliche Anzugsdrehmoment zu berechnen, müssen wir erst die gewünschte Axialkraft Ff auf Basis der Parameter der Schraube bestimmen und danach mit Hilfe von Tabellen die richtigen Faktoren für die Verbindung auswählen.

Die Einflussfaktoren und deren Einflüsse spielen bei der Berechnung eine entscheidende zentrale Rolle. Dabei spielt die Nachgiebigkeit eine wichtige Rolle.

Die Rolle der Nachgiebigkeit bei der Berechnung der Anzugsmomente

Die Nachgiebigkeit im technischen Sinne, also die Fähigkeit eines Materials, sich bei Einwirkung einer Kraft zu verformen oder zu verlängern, kann einen erheblichen Einfluss auf die Berechnung von Anzugsdrehmomenten haben. Wenn das Material nachgibt, kann die tatsächliche Vorspannkraft von der berechneten Vorspannkraft abweichen. Das liegt unter anderem an der Reibwerten im Gewinde und am Schraubenkopf.

Die Nachgiebigkeit ist ein Materialkennwert. Die Längung der Schraube wird bewusst ausgenutzt, um die Verbindung der Schraube in der Bohrung zu festigen. Im Bereich der elastischen Verformung kann die Schraube auch wieder gelöst werden und für dieselbe Verbindung oder eine neue Verbindung genutzt werden.

Es ist wichtig, die Nachgiebigkeit zu berücksichtigen, da eine falsche Berechnung zu einer unzureichenden Vorspannkraft und damit zu einer unzureichenden Verbindung führen kann.

Um die Schraubenverbindung durch Sicherungsmittel gegen ungewolltes Lösen zu schützen, können Unterlegscheiben oder ähnliche konstruktive Maßnahmen ergriffen werden.

Einflussfaktoren auf das Anzugsdrehmoment

Es gibt mehrere Einflussfaktoren, die das erforderliche Anzugsdrehmoment beeinflussen können. Diese sind:

  • Reibung: Die Reibung zwischen der Schraube und dem Werkstück beeinflusst das Anzugsdrehmoment. Eine höhere Reibung erfordert ein höheres Drehmoment.
  • Schmierung: Eine gute Schmierung reduziert die Reibung und kann daher dazu beitragen, das Anzugsdrehmoment zu verringern.
  • Gewindetyp: Verschiedene Gewindetypen erfordern auf Grund der Gewindegeometrie unterschiedliche Anzugsdrehmomente.
  • Nenndurchmesser und Länge des eingreifendes Gewindes: Größere Schrauben erfordern in der Regel höhere Anzugsdrehmomente, sowie Festigkeitsklassen.
  • Nachgiebigkeit des Materials: Wie bereits erwähnt, kann die Nachgiebigkeit des Werkstücks, der Verbindungselemente sowie deren Gewinde das erforderliche Anzugsdrehmoment beeinflussen.
  • Schraubenqualität: Hochwertige Schrauben haben oft konsistentere Reibungs- und Schmiereigenschaften. Die Behandlung der Schraube in der Fertigung erfolgt in kontrollierten Qualitätsfenstern. Die Bestimmung der Berechnungskoeffizienten ist in diesem Fall sicherer.

Die VDI 2230 ist eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und eine bedeutende Richtlinie für die Berechnung und Auslegung von Schraubenverbindungen. Sie bietet klare Richtlinien und Empfehlungen für die Berechnung von Anzugsdrehmomenten, um sicherzustellen, dass Schraubenverbindungen den Anforderungen an Festigkeit und Sicherheit gerecht werden.

Die VDI 2230 behandelt verschiedene Aspekte von Schraubenverbindungen, darunter:

  • Mindestquerschnitt der Verschraubung
  • Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie Reibung und Schmierung.
  • Einbeziehung der Nachgiebigkeit des Materials.
  • Empfehlungen für die Verwendung von Sicherheitsfaktoren.

In vielen Branchen und Anwendungen wird die VDI 2230 als Leitfaden für die Auslegung von Schraubenverbindungen verwendet, da sie auf umfangreicher Forschung und Praxiserfahrung basiert.

Nützliche Tabellen zur Unterstützung von Berechnungen

Die Verwendung von Tabellen kann die Berechnung von Anzugsdrehmomenten und Vorspannkräften erheblich erleichtern. Hier sind einige nützliche Tabellen mit üblichen Werten für die Koeffizienten der Formel, die Ihnen bei der Berechnung Ihrer Schraubenverbindungen helfen können:

Diese Tabellen sind nur Beispiele und können je nach spezifischer Anwendung variieren. Es ist wichtig, die richtigen Werte gemäß Ihrer Situation auszuwählen.

Die richtige Berechnung

Um das erforderliche Anzugsdrehmoment inklusive der Axialkraft korrekt zu berechnen, sollten Sie die spezifischen Anforderungen Ihrer Anwendung und die VDI 2230 berücksichtigen. Beginnen Sie mit der Ermittlung der benötigten Vorspannkraft basierend auf den Belastungsanforderungen. Dann verwenden Sie die Formel

T_{fA} = 0.35 k \times (1+\frac{1}{Q}) \times \sigma_y \times A_S \times d

unter Berücksichtigung der Reibung, Schmierung und anderer Einflussfaktoren. Besonders der Anteil des Anzugsdrehmoments, der in Reibung und damit in die Klemmkraft umgewandelt wird, kann durch technische Mittel zur Reduzierung der Reibung gezielt gesteuert werden.

Beispielrechnung:

Berechnung des korrekten Moments und der korrekten Axialkraft bei einer Ausnutzung von 70 % der Nennstreckgrenze. Die zu verbindenden Teile sind aus unlegiertem Stahl, die mit einer Innensechskantschraube M6 angezogen werden (Festigkeitsklasse 12.9). Die Oberflächen sind mit Öl geschmiert.

Die Anzugsmomente und Anzugskraft lassen sich folgendermaßen berechnen:

Berechnen der Axialkraft:

F_f = 0.7 \times \sigma_y \times A_S
F_f = 0.7 \times 1098 \frac{N}{mm^2} \times 20.1 mm^2
F_f = 15449 N

Berechnen des Anzugsmoment:

T_{fA} = 0.35 \times k \times (1+\frac{1}{Q}) \times \sigma_y \times A_S \times d
T_{fA} = 0.35 \times 0.17 \times (1+ \frac{1}{1.4}) \times 1098 \frac{N}{mm^2} \times 20.1 mm^2 \times 6 mm
T_{fA} = 135.1 Nm

Zusätzlich ist es ratsam, Sicherheitsfaktoren gemäß den Empfehlungen der VDI 2230 zu berücksichtigen. Diese gewährleisten eine ausreichende Sicherheit und Zuverlässigkeit der Schraubverbindung.

Eine Tabelle mit gängigen metrischen Gewinden und häufig verwendeten Festigkeitsklassen im Maschinenbau zeigt übliche Anzugsdrehmomente: