Berechnung von Anzugsdrehmomenten bei Schrauben - Welche Rolle spielt die Nachgiebigkeit?

In diesem Artikel erklären wir die Berechnung der Anzugsdrehmomente bei Schrauben und Schraubenverbindungen. Schraubenverbindungen sind eines der am häufigsten verwendeten Verbindungsarten. Sie werden in einer Vielzahl von Anwendungen im Maschinenbau eingesetzt, zum Beispiel für Sondermaschinen, in der Luft- und Raumfahrt, für 3D-Druck und in der Medizin-, Pharma- und Automobilindustrie.

Schraubenverbindungen stellen eine sichere und effiziente Verbindung zwischen zwei oder mehreren Bauteilen her. Die Festigkeit einer Schraubenverbindung hängt unter anderem vom angelegten Anzugsmoment ab, das am Schraubenkopf aufgebracht wird. Daher ist es wichtig, das richtige Anzugsdrehmoment zu berechnen, um die Schraubenverbindung zuverlässig und sicher zu machen.

Anzziehdrehmoment und Vorspannkraft - Eine grundlegende Einführung

Bevor wir uns der Berechnung von Anziehdrehmomenten widmen, ist es wichtig zu verstehen, was genau Anzugsdrehmoment und Vorspannkraft sind.

Die Vorspannkraft ist die Kraft, die in axialer Richtung einer Schraube wirkt, wenn diese angezogen wird. Sie ist ein Resultat des Anzugsmoments, das auf die Schraube ausgeübt wird. Um eine höhere Vorspannkraft zu erreichen, muss das notwendige Anzugsmoment erhöht werden.

Eine ausreichende Vorspannkraft ist notwendig, um die Schraubenverbindung sicher und zuverlässig zu machen. Überschreitet jedoch die geforderte Vorspannkraft die zulässige Belastung der Verbindungsteile in einem höheren Umfang als die Nachgiebigkeit (Nachgeben des Materials ohne bleibende Schäden - elastischer Bereich im Spannungs-Dehnungs-Diagramm) der einzelnen Teile ermöglicht, kommt es zum Versagen des überlasteten Bauteils.

Unterschiedliche Normen und Verfahren der Berrechnung

Prinzipiell unterscheiden sich 3 verschiedene Anziehverfahren. Die Schraube kann dabei entweder streckgrenzgesteuert, winkelgesteuert oder drehmomentgesteuert angezogen werden. Die sich bei der Montage ergebende Vorspannkraft FV unterliegt abhanängig vom Anziehverfahren, dem Schmierzustand und anderen Reibungsfaktoren einer Streuung zwischen FV max und FV min (oberer und unterer Wert der Vorspannkraft). Ein Maß für diese Streuung ist der sogenannte Anzugsfaktor αA .

 

(a): zu klemmendes Bauteil
(b): Bauteil mit Innengewinde

FV: Vorspannkraft (Klemmkraft)

Nach EN 14399-4 (Hochfest vorspannbare Garnituren) können nach dem Grundprinzip des minimal zu erreichenden Vorspannkraftniveau berechnet werden. Durch erreichen des Mindestwertes wird die Funktion der tragsicherheitsrelevanten Verbindung sichergestellt. Die für die Berechnung notwendigen Einflussfaktoren wie beispielsweise der Schmierzustand oder das Anziehverfahren werden hierbei für den jeweiligen Fall vorgegeben und so bei der Auslegung berücksichtigt.
Es ist sicherzustellen, dass die Mindestklemmkraft unter Berücksichtigung der Streuung auf jeden Fall erreicht wird. Die notwendige Montagevorspannkraft FVM kann mithilfe der vom jeweiligen Anziehverfahren abhängigen Anziehfaktoren αA ermittelt werden.

Im Gegensatz zur EN 14399-4 wird eine Schraube nach VDI 2230 für die optimale Ausnutzung der Werkstoffeigenschaften ausgelegt. Basis der Berechnug bildet hier die 90% Streckgrenze des Werkstoffs. Anders als bei der Auslegung nach EN14399-4 wird bei der Berechnung das gewählte Anzieverfahren nicht direkt, sondern über das Ausmaß der zum jeweiligen Anziehverfahren empirisch ermittelten Streuung über den Faktor αA berücksichtigt.
Nach VDI 2230 ist sicherzustellen, dass die maximale Vorspannkraft FV max nicht überschritten wird. Um dies zu gewährleisten, wird basierend auf FV max die aus der Wertespreizung resultierende, mindestens zu erwartende Montagevorspannkraft FVM min mithilfe des vom jeweiligen Anziehverfahren abhängigen Anziehfaktors αA ermittelt.

Da die Ausprägung der Streuung (Anziehfaktor αA) von vielen Faktroren wie zB. dem Schmierzustand, dem Gewindetyp, dem Gewindedurchmesser und auch dem Material von Schraube und Bauteil mit Innengewinde abhängt wird dieser meist experimentell ermittelt. In der Vergangenheit haben sich für die einzelnen Material- und Schmierkkonstellationen ermittelte Anziehfaktoren bewährt, welche in Abhängigkeit der jeweiligen Einsatzbedingungen und Nenndurchmesser genutzt werden.

Ermitteln des Anziehfaktors

\alpha_A =\frac{F_{V}\,max}{F_{V}\,min}<1

Montagevorspannkraft nach EN 14399-4

F_{VM\,max} =\alpha_A \times {F_{V}\,min}

Montagevorspannkraft nach VDI 2230

F_{VM\,min} =\frac{F_{V}\,max}{\alpha_A}
Anziehfaktor αA nach Anziehverfahren - Richtwerte nach VDI 2230-2001 Grundlage: Gegenlage ist ein verspanntes Teil, dessen Oberfläche mit dem Anziehelement der Verbindung (Schraubenkopf oder Mutter) im Kontakt steht.
Anziehfaktor
αA
Streuung
      ΔFVM  / 2 · FVM mittel
Anziehverfahren Einstellverfahren Bemerkungen
1.2 bis 1.4 ±9% bis ±17% Streckgrenzgesteuertes Anziehen,
motorisch oder manuell.
Vorgabe des relativen Drehmoment-Drehwinkel- Koeffizienten. Die Vorspannkraftstreuuung wird wesentlich bestimmt durch die Streuung der Streckgrenze im verbauten Schraubenlos.
Die Schrauben werden hier für FMV min. dimensioniert; eine Auslegung der Schrauben für FMV max. mit dem Anziehfaktor αA entfällt deshalb für diese Anziehmethoden.
1.2 bis 1.4 ±9% bis ±17% Drehwinkelgesteuertes Anziehen,
motorisch oder manuell.
Versuchsmässige Bestimmung von Voranziemoment und Drehwinkel (Stufen).
1.2 bis 1.6 ±9% bis ±23% Hydraulisches Anziehen. Einstellung über Längen- bzw. Druckmessung. Niedrigere Werte für lange Schrauben (lk / d ≥ 5)
Höhere Werte für kurze Schrauben (lk / d ≤ 2)
1.4 bis 1.6 ±17% bis ±23% Drehmomentgesteuertes Anziehen mit Drehmomentschlüssel, Signalgebendem Schlüssel oder Drehschrauber mit dynamischer Drehmomentmessung. Versuchsmässige Bestimmung der Sollanziehmomente am Original- Verschraubungsteil, z.B. durch Längungsmessung der Schraube. Niedrigere Werte für:
Grosse Zahl von Einstellungen bzw. Kontrollversuchen (z.B. 20) erforderlich; geringe Streuung des abgegebenen Momentes (z.B. ±5%) nötig.
Niedrige Werte für:
• kleine Drehwinkel,d.h. relativ steife Verbindungen
• realtiv gering Härte der Gegenlage1)
• Gegenlagen, die nicht zum Fressen neigen z.B. phophatiert oder bei ausreichender Schmierung

Höhere Werte für:
• grosse Drehwinkel, d.h. relativ nachgiebige Verbindungen sowie Feingewinde.
• grosse Härte der Gegenlage, verbunden mit rauher Oberfläche
1.6 bis 2.0
(Reibungszahlklasse B)

1.7 bis 2.5
(Reibungszahlklasse A)
±23% bis ±33%
±26% bis ±43%
Drehmomentgesteuertes Anziehen mit Drehmomentschlüssel, Signalgebendem Schlüssel oder Drehschrauber mit dynamischer Drehmomentmessung. Bestimmung des Sollanziehdrehmomentes durch Schätzen der Reibungszahl
(Oberflächen- und Schmierverhältnisse)
Niedrige Werte für:
• messende Drehmomentschlüssel
• gleichmässiges Anziehen
• Präzisionsdrehschrauber

Höhere Werte für:
• signalgebende oder ausknickende Drehmomentschlüssel
2.5 bis
4
±43% bis ±60% Anziehen mit Schlagschrauber oder Impulsschrauber. Einstellen des Schraubers über Nachziehdrehmoment das aus Sollanziehmoment (für die geschätzte Reibungszahl) und einem Zuschlag gebildet wird. Niedriger Werte für:
• grosse Zahl von Einstellversuchen (Nachziedrehmoment).
• auf horizontaler Achse der Schraubercharakteristik
• spielfreie Impulsübertragung
 

Was ist die Vergleichspannung und was hat das mit der Streckgrenze zu tun?

Die Vorspannkraft wird meist durch Drehen der Mutter oder Schraube aufgebracht. Die dabei in der Schraube auftretenden Zug- und Torsionsspannungen bilden als eine Gesamtbeanspruchung zusammengefasst die sogenannte Vergleichspannung (σred). Sie ist ein Mittel zur Bewertung der Belastung einer Schraubverbindung. Die Vergleichsspannung sollte unterhalb der Spannung der Ermüdungsgrenze sein, da die Ermüdungsgrenze die höchste Spannung darstellt, die das Material bei theoretisch unendlich vielen Lastwechseln ohne Versagen aushält.

In der Regel werden die eingesetzten Schrauben so weit vorgespannt, dass 90% der Streckgrenze Re erreicht werden. Das dazu benötigte Anziehmoment wird meist als MA 90 gekennzeichnet. Sollen nur 70% der Streckgrenze Re ausgenutzt werden, wird das Anziehmoment dementsprechend mit MA 70 ausgewiesen.

Bei Schrauben mit angegebener Festigkeitsklasse wie zB. 12.9 kann die zugehörige Streckgrenze Re relativ einfach durch Multiplikation ermittelt werden. Im Falle der Festigkeitskasse 12.9 entspricht diese einem Wert von 1080 N/mm² und errechnet sich so:

Re = 10 N/mm² x Wert vor dem Punkt x Wert nach dem Punkt.

Weitere Informationen zum Thema Zugfestigkeit und Streckgrenze von Schrauben finden Sie auch in unserem Blog: "Berechnung von Scherfestigkeiten und Zugfestigkeiten bei Schrauben".

Berechnung des Anzugsdrehmoments von Schrauben

Die Berechnung des Anzugsdrehmoments bei Schrauben kann komplex sein und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Rechnerisch müssen hier unter anderem der Gewindetyp, eventueller Vorspannkraftverlust sowie die Reibungswerte des Gewindes und der Auflagefläche des Schraubenkopfes berücksichtigt werden.

Im Moment des Anziehens der Schraube muss nicht nur ein Gewindemoment MG , sondern auch das Auflagereibungsmoment MRA des Schraubenkopfes auf der Bauteiloberfläche überwunden werden. Das Anzugsmoment setzt sich also aus einem Gewindemoment MG und einem Reibungsmoment MRA zusammen. Bei einer Schraube mit ISO- Regelgewinde werden abhängig von Ihrem Kopf- bzw. Reibungsdurchmesser und dem Schmierzustand etwa 80 bis 90% des aufgebrachten Anzugsmomentes allein zum Überwinden der Reibung zwischen Schraubenkopf und Bauteiloberfläche benötigt. Die Reibung des Gewindes ist also mit einem Anteil von 10 bis 20% vergleichsweise gering.

Um die umfangreiche Berechnung und Ermittlung aller für die Berechnung benötigten Werte zu umgehen wird meist eine vereinfachte Näherungsformel verwendet. Mit ihr lassen sich die geforderten Werte oft hinreichend genau ermitteln.

Eine gängige Methode zur Berechnung des Anzugsdrehmoments ist die Verwendung folgender Näherungsformel.

Näherungsformel mit Drehmomentkoeffizient

M_A = F_{VM} \times K \times d

 

MA: Anziehdrehmoment
d: Nenndurchmesser der Schraube.

K: Drehmomentkoeffizient* (Anzieh- Reibungsfaktor)

* Die Werte für den Drehmomentkoeffizienten K liegen bei üblichen Reibungszahlen für μG (Gewinde) und μK (Schraubenkopf bzw. Mutterauflage) von 0,08 bis 0,14 bei Sechskantschrauben mit mittleren Abmessungen in einem Bereich zwischen 0,12 und 0,19. Für den Normalfall mit einem Reibwert μges von ca. 0,12 (unbehandelte, geölte metrische Schrauben) wird für eine überschlägige Berechnung K ≈ 0,17 angenommen.

Um das erforderliche Anzugsdrehmoment mit der hier genannten Näherungsformel berechnen zu können, müssen wir erst die gewünschte Axialkraft Ff (= FV) auf Basis der Parameter der Schraube bestimmen.

Axiale Anzugskraft und Ermüdungsgrenze beim Drehmomentverfahren

Die korrekte axiale Anzugskraft für eine Schraube sollte bei Verwendung des Drehmomentverfahrens innerhalb eines elastischen Bereichs von etwa 70% der Nennstreckgrenze Re liegen. Die Axialkraft (Vorspannkraft) verteilt sich auf die gesamte effektive Querschnittsfläche der Schraube (AS).

Darstellung der effektiven Querschnittsfläche einer Schraube A<sub>S</sub>
AS - Die effektive Querschnittsfläche einer Schraube

Berechnung der Axialkraft

F_V = X \times R_e \times A_S
F_V = 0.7 \times 1080 \frac {N}{mm^2} \times 20.1mm^2
F_V = 15196N

Parameter der Schraube im Beispiel:


Festigkeitsklasse: 12.9
Gewindenenndurchmesser: 6mm
Gewindetyp: Regelgewinde, metrisch


Streckgrenze: Re = 1080N/mm²
Effektive Querschnittsfläche: AS = 20,1mm² (siehe Tabelle)
Ausnutzung der Streckgrenze: X = 0,7 (70%)

Die unterschiedlichen Einflussfaktoren haben teils signifikante Auswirkungen und spielen bei der Berechnung eine entscheidende Rolle. Auch die Nachgiebigkeit der Materialien und ein Setzverhalten der Verbindung ist nicht zu vernachlässigen.

Die hohe Flächenpressung im Bereich der Auflagefläche des Schraubenkopfes oder der Mutter kann plastische Verformungen und somit Vorspannungsverlust hervorrufen. Auch kann das Überlasten der Schraube durch ein zu hohes Anziehmoment in Verbindung mit zu geringer Sicherheit und einem falsch gewählten Drehmomentkoeffizient oder Anziehverfahren zum Überschreiten der Grenze des elastischen Bereichs und damit zu einer Längung der Schraube mit einhergehendem Vorspannungsverlust bis hin zum Abriss der Schraube führen.

Die Rolle der Nachgiebigkeit bei der Berechnung der Anzugsmomente

Die Nachgiebigkeit im technischen Sinne, also die Fähigkeit eines Materials, sich bei Einwirkung einer Kraft zu verformen oder zu verlängern, kann einen erheblichen Einfluss auf die Berechnung von Anzugsdrehmomenten haben. Wenn das Material nachgibt, kann die tatsächliche Vorspannkraft von der berechneten Vorspannkraft abweichen.

Die Nachgiebigkeit ist ein Materialkennwert. Die Längung der Schraube wird bewusst ausgenutzt, um die Verbindung der Schraube in der Bohrung zu festigen. Im Bereich der elastischen Verformung kann die Schraube auch wieder gelöst werden und für dieselbe Verbindung oder eine neue Verbindung genutzt werden.

Es ist wichtig, die Nachgiebigkeit zu berücksichtigen, da eine falsche Berechnung zu einer unzureichenden Vorspannkraft und damit zu einer unzureichenden Verbindung führen kann. Um die Schraubenverbindung zusätzlich durch Sicherungsmittel gegen ungewolltes Lösen zu schützen, können Unterlegscheiben oder ähnliche konstruktive Maßnahmen ergriffen werden.

In unserem Shop finden Sie Drehmomentschlüssel, um das errechnete Anzugsmoment richtig einzustellen.

Einflussfaktoren auf das Anzugsdrehmoment

Es gibt mehrere Einflussfaktoren, die das erforderliche Anzugsdrehmoment beeinflussen können. Diese sind:

  • Reibung: Die Reibung zwischen der Schraube und dem Werkstück beeinflusst das Anzugsdrehmoment. Eine höhere Reibung erfordert ein höheres Drehmoment.
  • Schmierung: Eine gute Schmierung reduziert die Reibung und kann daher dazu beitragen, das Anzugsdrehmoment zu verringern.
  • Gewindetyp: Verschiedene Gewindetypen erfordern auf Grund der Gewindegeometrie unterschiedliche Anzugsdrehmomente.
  • Nenndurchmesser und Länge des eingreifendes Gewindes: Größere Schrauben erfordern in der Regel höhere Anzugsdrehmomente, sowie Festigkeitsklassen.
  • Nachgiebigkeit des Materials: Wie bereits erwähnt, kann die Nachgiebigkeit des Werkstücks, der Verbindungselemente sowie deren Gewinde das erforderliche Anzugsdrehmoment beeinflussen.
  • Schraubenqualität: Hochwertige Schrauben haben oft konsistentere Reibungs- und Schmiereigenschaften. Die Behandlung der Schraube in der Fertigung erfolgt in kontrollierten Qualitätsfenstern. Die Bestimmung der Berechnungskoeffizienten ist in diesem Fall sicherer.

Die VDI 2230 ist eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und eine bedeutende Richtlinie für die Berechnung und Auslegung von Schraubenverbindungen. Sie bietet klare Richtlinien und Empfehlungen für die Berechnung von Anzugsdrehmomenten, um sicherzustellen, dass Schraubenverbindungen den Anforderungen an Festigkeit und Sicherheit gerecht werden.

Die VDI 2230 behandelt verschiedene Aspekte von Schraubenverbindungen, darunter:

  • Mindestquerschnitt der Verschraubung
  • Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie Reibung und Schmierung.
  • Einbeziehung der Nachgiebigkeit des Materials.
  • Empfehlungen für die Verwendung von Sicherheitsfaktoren.

In vielen Branchen und Anwendungen wird die VDI 2230 als Leitfaden für die Auslegung von Schraubenverbindungen verwendet, da sie auf umfangreicher Forschung und Praxiserfahrung basiert.

Berechnung des Anziehmomentes mit Drehmomentkoeffizient und Anziehfaktor

Eine weitere Möglichkeit das erforderliche Anziehdrehmoment einer metrischen Schraube zur ermitteln ist die Berechnung auf Basis der Zugfestigkeit des Materials der Schraube (σy). In Kombination mit der effektiven Querschnittsfäche AS und dem Nenndurchmesser d kann unter Berücksichtigung der Faktoren αA​ und K ebenfalls das Anziehmoment berechnet werden.

Für die Beispielberechnung mit einer üblicherweise ab Werk ölgeschmierten M6 Schraube mit Regelgewinde und Festigkeitsklasse 12.9 wird die Verwendung eines Drehmomentschlüssels (ölgeschmiert, Drehmomentkoeffzient K = 0.175 und Anziehfaktor αA = 1.4) vorausgesetzt (siehe folgende Tabellen). Die zu verbindenden Teile sind aus unlegiertem Stahl. Andere Anziehverfahren, Schmierzustände und Materialien erfordern ggf. abweichende Faktoren.

Berechnen des Anzugsmoment:

M_A = 0.35 \times K \times (1+\frac{1}{\alpha_A}) \times F_V \times A_S \times d
M_A = 0.35 \times 0.175 \times (1+ \frac{1}{1.4}) \times 1080 \frac{N}{mm^2} \times 20.1 mm^2 \times 0,006 m
M_A = 13.68 Nm

Mit Näherungsformel zum Vergleich

M_A = F_{VM} \times K \times d
M_A = 15449N \frac{N}{mm^2} \times 0.17 \times 0.006m
M_A = 15,76Nm

Tabellen zur Unterstützung der Beispielberechnung

Die Verwendung von Tabellen kann die Berechnung von Anzugsdrehmomenten und Vorspannkräften erheblich erleichtern. Diese Tabellen zeigen übliche Werten für die Koeffizienten der Formel, die Ihnen bei der Berechnung Ihrer Schraubenverbindungen helfen können:

Kombination der Werkstoffe
Kombination der Werkstoffe (a und b) zur Drehmomentkoeffizient Tabelle
Standardwerte des Anzugskoeffizienten Q nach Oberflächenbehandlung und Anzugmethode
Oberfächenzustand Schmierung Anzugsmethode Anzugskoeffzient
αA
Schrauben Muttern
Mangan-phosphatiert Unbehandelt
oder
mit Phosphat behandelt
mit Öl
oder
MoS2- Paste
Drehmomentschlüssel 1.25
Unbehandelt
oder
mit Phosphat behandelt
Drehmomentschlüssel 1.4
Drehmomentschlüssel mit Kraftbegrenzung
Schlagschrauber 1.6
Unbehandelt
oder
mit Phosphat behandelt
Unbehandelt Ungeschmiert Drehmomentschlüssel 1.8
Drehmomentschlüssel mit Kraftbegrenzung
Drehmomentkoeffizient in Abhängigkeit der Kombination der Werkstoffe (a und b) Hinweis: Mindesteinschraubtiefe in Material (b) beachten!
Schraubenoberfäche
und
Oberflächenbehandlung
Drehmomentkoeffzient
K
Kombination von Werkstoffen für die zu befestigende Fläche (a)
und Werkstoff (b) des Innengewindes
(a) - (b)
Stahlschraube
Brüniert
Folie, Ölschmierung
0.145 wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Gusseisen
Gusseisen - Gusseisen
Edelstahl - Gusseisen
0.155 Unlegierter Stahl - Gusseisen
wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Unlegierter Stahl
wärmebehandelter Stahl (35HRC) - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
Gusseisen - Unlegierter Stahl
Gusseisen - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
0.165 wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Edelstahl
Gusseisen - Edelstahl
Aluminium - Gusseisen
Edelstahl - Unlegierter Stahl
Edelstahl - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
Edelstahl - Edelstahl
0.175 Unlegierter Stahl - Unlegierter Stahl
Unlegierter Stahl - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
Unlegierter Stahl - Edelstahl
Aluminium - Unlegierter Stahl
Aluminium - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
0.185 wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Aluminium
Gusseisen - Aluminium
Aluminium - Edelstahl
0.195 Unlegierter Stahl - Aluminium
Edelstahl - Aluminium
0.215 Aluminium - Aluminium
Stahlschraube
Brüniert
Folie, nicht
geschmiert
0.25 Unlegierter Stahl - Gusseisen
wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Gusseisen
Gusseisen - Gusseisen
0.35 Unlegierter Stahl - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
wärmebehandelter Stahl (35HRC) - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
Gusseisen - Unlegierter Stahl
Gusseisen - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
Aluminium - Gusseisen
0.45 Unlegierter Stahl - Unlegierter Stahl
wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Unlegierter Stahl
Aluminium - Unlegierter Stahl
Aluminium - wärmebehandelter Stahl (35HRC)
0.55 wärmebehandelter Stahl (35HRC) - Aluminium
Gusseisen - Aluminium
Aluminium - Aluminium

Diese Tabellen sind nur Beispiele und können je nach spezifischer Anwendung variieren. Es ist wichtig, die richtigen Werte gemäß Ihrer Situation auszuwählen.

Schrauben - Anzugskraft und Anzugsmoment nach Festigkeitsklasse
Regelgewinde Effektiv-
Querschnittsfäche
AS
in mm2
Festigkeitsklasse
12.9 10.9 8.8
Fließlast
N
Anzugskraft
N
Anzugs-moment
Nm
Fließlast
N
Anzugskraft
N
Anzugs-moment
Nm
Fließlast
N
Anzugskraft
N
Anzugs-moment
Nm
M 3 5.03 5517 3861 1.67 4724 3312 1.47 3214 2254 0.98
M 4 8.78 9633 6742 3.92 8252 5772 3.33 5615 3930 2.25
M 5 14.2 15582 10907 7.94 13348 9339 6.76 9085 6360 4.61
M 6 20.1 22060 15445 13.52 18894 13220 11.56 12867 9006 7.84
M 8 36.6 40170 28116 32.73 34398 24079 28.03 23422 16395 19.11
M10 58 63661 44561 64.97 54508 38161 55.57 37113 25980 37.83
M12 84.3 92532 64768 113.68 79223 55458 97.02 53949 37759 66.05
M14 115 126224 88357 180.32 108084 75656 154.84 73598 51519 104.86
M16 157 172323 117982 281.26 147549 103282 241.08 100470 70325 163.66
M18 192 210739 147519 387.1 180447 126312 331.24 126636 88641 232.26
M20 245 268912 188238 548.8 230261 161181 469.42 161592 113112 329.28
M22 303 332573 232799 746.76 284768 199332 638.96 199842 139885 448.84
M24 353 387453 271215 948.64 331759 232231 812.42 232819 162974 570.36
Hinweis: · Klemmzustände: Verwendung eines Drehmomentschlüssels (ölgeschmiert, Drehmomentkoeffzient k = 0.17; Anzugskoeffzient Q = 1.4)
· Der Drehmomentkoeffzient ändert sich mit den Anwendungsbedingungen. Die Werte in dieser Tabelle sind als grobe Referenzwerte zu verwenden.
· Die Tabelle ist ein Auszug aus einem Katalog von Kyokuto Seisakusho Co., Ltd.