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Glasübergangstemperatur von Polymeren
Die Glasübergangstemperatur ist die Temperatur, bei der ein amorphes oder teilkristallines Polymer von einem glasartigen, spröden Zustand in einen gummielastischen Zustand übergeht. In diesem Bereich ändert sich die molekulare Beweglichkeit der Polymerketten drastisch, was zu einer Veränderung der mechanischen Eigenschaften führt. Im Gegensatz zu kristallinen Stoffen haben amorphe Materialien kein geordnetes Kristallgitter, sondern ungeordnete Molekülketten.
Polymere
Polymere sind große, kettenartige Makromoleküle, die sich aus vielen gleichartigen Monomeren zusammensetzen. Polymere, auch Kunststoffe genannt, kann man sowohl künstlich herstellen als auch in der Natur z.B. in Polysacchariden oder Polypeptiden finden. Für amorphe und teilkristalline Polymere gibt es eine sog. Glasübergangstemperatur (Tg).Werden diese amorphen oder teilkristallinen Polymere erwärmt, so verringern sich die Bindungen der in der amorphen Phase ungeordnet vorliegenden Polymerketten sowie deren Bindungen untereinander. Das Polymer wird weicher und verformbar, bis es oberhalb der Tg weich, gummiartig und verformbar wird. Künstliche Polymere lassen sich auf Grundlage ihrer mechanischen Eigenschaften in folgende Kategorien einteilen:
- Thermoplaste: Bei Thermoplasten sind die Polymere in Ketten angeordnet, die aber nicht miteinander verbunden sind. Sie schmelzen bzw. verformen sich bei Wärmezufuhr. Man unterteilt sie weiterhin in amorphe (ohne Kristallstruktur) und teilkristalline Thermoplasten. Teilkristallin bedeutet, dass sie sowohl amorphe (ungeordnete) als auch kristalline (geordnete) Bereiche in ihrer molekularen Struktur aufweisen. Der Einsatztemperaturbereich von Thermoplasten liegt normalerweise zwischen -40°C und 150°C.
- Duroplaste: Bei Duroplasten sind die Polymere sehr stark miteinander verknüpft und jedes Monomer hat mehr als zwei Bindungen zu anderen Monomeren. Dabei entstehen gitterartige, engmaschige 3D-Verknüpfungen. Sie sind hart, spröde und temperaturbeständig. Der Einsatztemperaturbereich von Duroplasten kann je nach Typ stark variieren. Einige Duroplaste können Temperaturen von bis zu 300°C oder höher standhalten, während andere bereits bei niedrigeren Temperaturen versagen.
- Elastomere: Elastomere sind im Bezug auf die Verbindungsstruktur der einzelnen Molekülketten untereinander eine Mischform aus Thermoplast und Duroplast. Sie bestehen sowohl aus längeren Kettenabschnitten als auch aus weitmaschigen 3D-Verknüpfungen. Sie sind elastisch, d. h. sie nehmen nach Verformung ihren ursprünglichen Zustand wieder an. Der Einsatztemperaturbereich von Elastomeren variiert stark abhängig von der Art des Elastomers. Typische Einsatztemperaturen können zwischen -50°C und 150°C liegen.
Herstellung: Polymerisation, Polykondensation, Polyaddition
Es gibt verschiedene Herstellungsverfahren, um Monomere in Polymere umzuwandeln. Monomere sind kleine, chemisch reaktive Moleküle mit der Fähigkeit, sich durch Verknüpfung (Polymerisation) miteinander zu Polymeren zu verbinden. Die Wahl des Verfahrens hängt von den Monomeren, der gewünschten molekularen Struktur und den Produktanforderungen ab. Grundvoraussetzung ist aber immer, dass ein Monomer mit mindestens einer Doppelbindung vorliegt, um eine Kettenreaktion hervorrufen zu können.
Bei der Polymerisation unterscheidet man zwischen radikalischer und ionischer (kationischer oder anionischer) Polymerisation. Der Vorgang der Polymerisation selbst unterteilt sich in den Kettenstart, das Kettenwachstum und den Kettenabbruch. Für den Kettenstart bei der kationischen Polymerisation wird einem Monomer, z.B. Ethylen, ein Kation beigefügt. Das positiv geladene Kation reagiert mit dem Monomer und geht eine Verbindung mit ihm ein. Die ursprünglich bestehende Doppelbindung zwischen den Kohlenstoffatomen des Monomers geht infolgedessen verloren und wird durch die Bindung des Kations besetzt. Durch die daraus resultierende positive Ladung wird es selbst zum Kation. Dadurch kann erneut ein weiteres Monomer eingebunden werden, was sich in unendlichen Schritten fortsetzt.
Erst durch Zugabe eines Anions wird das Kettenwachstum unterbrochen und das Endprodukt, z.B. Polyethylen, entsteht. Bei der Polymerisation entstehen jedoch nur lange Ketten, weshalb sich auf diese Weise nur Thermoplaste herstellen lassen. Bei Polykondensation und Polyaddition werden Monomere verwendet, die mehr als zwei funktionelle Gruppen haben, mit denen am Ende 3D-Verknüpfungen entstehen können. Je nach Größe der Monomere entsteht dabei entweder ein Duroplast (kleine Monomere, da engmaschiges Netz) oder Elastomere (große Monomere, da weitmaschiges Netz). Bei der Polykondensation wird dabei zusätzlich noch ein Molekül als Nebenprodukt abgespalten.
Welche Materialien haben eine Glasübergangstemperatur
Nicht nur Glas, sondern auch andere amorphe oder teilkristalline Materialien wie zum Beispiel Polymere haben eine Glasübergangstemperatur, auch Tg abgekürzt. Die Glasübergangstemperatur Tg ist eine wichtige thermodynamische Eigenschaft eines Polymers, die eng mit seiner Struktur und seinen Eigenschaften verknüpft ist. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Schmelztemperatur, bei der ein Material von einem festen Zustand in einen flüssigen Zustand übergeht. Es handelt sich dabei um zwei unterschiedliche Vorgänge, da beim Schmelzen im Gegensatz zum Glasübergang zugeführte Energie zum Auflösen des Kristallgitters benötigt wird. Es ist jedoch möglich, dass ein Material sowohl eine Glasübergangstemperatur als auch eine Schmelztemperatur hat.
Messung der Glasübergangstemperatur
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Glasübergangstemperatur verschiedener Materialien zu bestimmen:
- FTIR-Spektroskopie: Sie misst die Veränderungen in molekularen Vibrationen, die nahe der Tg auftreten.
- Thermomechanische Analyse (TMA): Das Auftreten einer charakteristischen Änderung in der Auslenkung der Probe wird identifiziert. Bei Annäherung an die Tg beginnt die Probe, sich zu erweichen und zu deformieren, was zu einem sichtbaren Anstieg der Auslenkung führt.
- Dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC): Die absorbierte oder freigesetzte Energie während des Übergangs wird gemessen.
- Dynamische Wasserdampfsorption (DVS): Hier wird eine Änderung im Sorptionsverhalten gemessen (die Fähigkeit des Polymers, Wasserdampf zu absorbieren).
- Dynamisch-mechanische Analyse: Das Polymer wird mittels periodischer Verformung oder Schwingung deformiert. Die Tg wird im DMA-Diagramm als der Punkt identifiziert, an dem die Phasenverschiebung der Probe stark ansteigt oder sich ihre Elastizitätseigenschaften drastisch ändern.
- Dielektrische Analyse (DEA): Die Tg wird oft als der Punkt identifiziert, an dem dielektrische Eigenschaften, vor allem der Verlustfaktor, einen scharfen Anstieg oder eine Änderung zeigen.
Einflussfaktoren auf die Glasübergangstemperatur
Die Kenntnis der Glasübergangstemperatur spielt bei der Auswahl des richtigen Polymermaterials für bestimmte Anwendungen, eine tragende Rolle. Die Glasübergangstemperatur wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst:
Molekulargewicht
Die Glasübergangstemperatur ist abhängig vom Molekulargewicht des jeweiligen Polymers. Das Molekulargewicht bestimmt die Länge der langen Ketten, die bei der Bildung von Polymeren entstehen. Höhere Molekulargewichte führen in der Regel zu höheren Glasübergangstemperaturen, da längere Polymerketten eine höhere Energie benötigen, um sich zu bewegen.
Chemische Struktur
Die Art und Stärke der chemischen Bindungen und funktionellen Gruppen in einem Polymer beeinflussen seine Glasübergangstemperatur. Polymere mit stärkeren Bindungen haben oft höhere Tg-Werte.
Kristallinität
Amorphe Kunststoffe, die keine geordnete Kristallstruktur aufweisen, haben tendenziell niedrigere Glasübergangstemperaturen im Vergleich zu teilkristallinen Polymeren. Die kristallinen Bereiche sind stark geordnet und bleiben das auch nach Überschreiten der Tg. Sie bilden die Materialstruktur und sorgen dafür, dass teilkristalline Materialien auch oberhalb ihrer Tg noch verwendet werden können.
Kettensteifigkeit
Polymere, deren Ketten flexibel sind und eine hohe Freiheit zur Bewegung haben, haben tendenziell niedrigere Tg-Werte. Steife Polymerketten erfordern mehr Energie, um sich zu bewegen, was zu höheren Tg-Werten führt.
Füllstoffe und Zusatzstoffe
Die Zugabe von Füllstoffen, Weichmachern oder anderen Zusatzstoffen kann die Glasübergangstemperatur beeinflussen, indem durch diese Stoffe die Polymerstruktur modifiziert wird. Viele Füllstoffe, insbesondere anorganische Füllstoffe wie Glasfasern, Carbonfasern oder Mineralien, können die mechanischen Eigenschaften des Polymers erheblich verbessern. Sie wirken als Verstärkungselemente und erhöhen die Zugfestigkeit, Biegefestigkeit und Härte des Polymers. Füllstoffe können ebenfalls die Steifigkeit des Polymers erhöhen, indem sie die Flexibilität der Polymerketten begrenzen. Durch Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit können sie ein Polymer außerdem temperaturstabiler machen.
Zusatzstoffe werden häufig zur Verbesserung der Verarbeitbarkeit des Polymers eingesetzt. Weichmacher sind ein Beispiel dafür. Sie beeinflussen die Polymerstruktur, indem sie zwischen den Polymerketten interagieren und deren Bindungen lockern. Dies führt zu einer verringerten Tg und einer erhöhten Flexibilität des Polymers. Auch können z.B. Antioxidationsmittel und UV-Stabilisatoren eingesetzt werden, um die Polymerstruktur vor Alterung und Abbau durch Einwirkung von Licht, Hitze oder Sauerstoff zu schützen.
Auswirkung auf die Verarbeitung
Die Glasübergangstemperatur beeinflusst auch die Verarbeitung von Polymeren. Bei Temperaturen oberhalb der Tg können Polymere leichter geformt werden, während unterhalb der Tg die Verarbeitung schwieriger werden kann, da das Polymer spröde ist und leicht bricht. Die Tg beeinflusst zum Beispiel:
- die Wahl der Verarbeitungstechnik,
- die Verarbeitungstemperatur und
- Verarbeitungsparameter wie Geschwindigkeit, Druck und Kühlung.
Thermoplastische Polymere, wie zum Beispiel Polystyrol lassen sich oberhalb der Tg gut verarbeiten. Polystyrol befindet sich dann in einem fließfähigen Zustand und ist leicht formbar, weshalb man bei der Verarbeitungstechnik auf Spritzguss, Extrusion oder Thermoformen zurückgreifen kann. Hart-Polyethylen eignet sich wiederum z.B. auch für Blasformen, da es bei höheren Temperaturen gut schmelzen und fließen kann, was es für die Herstellung von Flaschen, Kanistern und Behältern für Lebensmittelverpackungen geeignet macht.
Bei MISUMI lassen sich Kunststoffe mit verschiedensten Eigenschaften im Portfolio finden.