- MISUMI Startseite
- Techblog
- Allgemeine Informationen
- Greifersysteme für das Materialhandling im Maschinenbau
Greifersysteme für das Materialhandling im Maschinenbau
Gerade in großen Fertigungsanlagen und Produktionsketten ist es unabdingbar, sich mit Handhabungstechniken für Materialien und Werkstücke auseinander zu setzen. Schon aufgrund des Gewichts ist es z.B. häufig nahezu unmöglich, Materialien manuell zu bewegen. An dieser Stelle setzt Material Handling ein: Mit Hilfe von z.B. Greifersystemen oder Förderbändern wird die Bewegung und Kontrolle von Materialien erleichtert und die Effizienz gesteigert. Nachfolgend schauen wir uns verschiedene Greifersysteme und ihre Verwendung einmal näher an.
Was genau ist Material Handling?
Material Handling, oder auch Handhabungstechnik, macht Abläufe in der Fertigung einfacher, sicherer und produktiver. Die Hauptaufgabe besteht in der Bewegung, Lagerung, Kontrolle und Verwaltung von Materialien. Material-Handling-Systeme können Lagerplätze einsparen oder selbst als Lager dienen. Umso wichtiger ist es, dass Material-Handling-Systeme hohen Anforderungen standhalten:
- sie müssen belastbar, mobil und flexibel sein.
- sie sollten nicht zu hohe Kosten verursachen.
Arten von Material-Handling-Systemen
Material-Handling-Systeme können z.B. sein: Förderbänder, Gabelstapler, Robotersysteme, Kräne oder Greifersysteme in automatisierten Fertigungslinien. Aber auch bei manuellen Arbeiten können sie Einsatz finden, z.B. bei der Unterstützung von Bedienern bei alltäglichen Aufgaben, wie Fässer oder Kisten bewegen. Vor allem das Greifen ist eine der Hauptaufgaben in vielen Produktionsbetrieben. Durch den Einsatz von Material-Handling-Systemen können bisher manuelle Prozesse beschleunigt und krankheitsbedingte Arbeitsausfälle reduziert werden. Hier tragen besonders Greifsysteme bzw. Greifersysteme zum ergonomischen Arbeiten bei.
Greifersysteme
Greifersysteme unterstützen die präzise Handhabung und Kontrolle von Materialien und Werkstücken. Greifersysteme gibt es zur Unterstützung manueller Greifarbeiten, wie z.B. Fassgreifer, Rollengreifer oder Kastengreifer. Aber auch in der Fertigung selbst, auf den Produktionslinien, kommen Greifersysteme zum Einsatz. Häufig werden Greifer in Verbindung mit Robotern eingesetzt: Sie dienen als Verbindungsstück zwischen industriellem Roboter und Werkstück.
Vakuumgreifer
Beim Vakuumgreifer wird mittels einer Pumpe ein Unterdruck zwischen dem Greifer und dem Werkstück erzeugt. Der Vakuumgreifer wird auf das Werkstück aufgesetzt und durch den Unterdruck am Vakuumgreifer wird das Werkstück vom Vakuumgreifer angesaugt.
- 1 = Werkstück
- 2 = Vakuum
- 3 = Vakuumgreifer
Die Haltekraft richtet sich nach dem Druckunterschied zwischen der Umgebung und dem Druck im Vakuumgreifer selbst. Je höher der Unterschied, desto stärker wird die Haltekraft und desto schwerere Lasten können angehoben werden. Die zu transportierenden Werkstücke können von hart bis leicht verformbare Teile mit ansaugbaren Flächen sein. Wenn die anzusaugende Oberfläche porös oder luftdurchlässig ist, nimmt die Saugkraft ab. Es ist dann notwendig, die effektive Querschnittsfläche der Leitung zu vergrößern oder mehrere kleinere Saugnäpfe zu verwenden. Weiche Werkstücke wie Papier, dünne Werkstoffe, Kunststofffolien, können durch die Saugkraft zerknittert werden.
Neben dieser Art von Vakuumgreifer gibt es noch den Bernoulli-Greifer. Dieser nutzt ein etwas anderes Prinzip: das Bernoulli-Prinzip. Luftstrom wird mit hoher Geschwindigkeit durch enge Düse geleitet. Auch hier entsteht ein Unterdruck, welcher eine Sogwirkung erzeugt und das Objekt angezogen wird. Zusätzlich entsteht ein leichter Auftrieb, der das Objekt minimal von der Oberfläche abhebt. Der Kontakt zwischen Greifer und Werkstück wird so auf ein Minimum reduziert.
Vakuum-Greifsysteme im Allgemeinen lassen sich vielseitig einsetzen: Sie eignen sich sowohl für weiche und empfindliche Lasten wie Säcke und Gläser als auch für schwere Lasten. Aufgrund des Minimalkontakts zwischen Greifer und Werkstück eignet sich der Bernoulli-Greifer für besonders empfindliche Materialien, wie z.B. Papier und Kunststofffolien, generell, aber weniger für schwere Lasten.
Pneumatischer Greifer
Pneumatische Greifer sind durch Druckluft gesteuerte Greifersysteme zum Halten und Bewegen von Bauteilen, Werkstücken und Lasten. Abhängig von Form, Gewicht und notwendiger Bewegung des zu transportierenden Objektes können Backengreifer, Drehgreifer oder Klemmgreifer mit unterschiedlichsten Formen eingesetzt werden.
Pneumatische Greifer sind aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und Effizienz sowie einfacher Konstruktion in vielen Branchen und Bereichen der Industrie weit verbreitet. In der Regel sind die Greifer als Zwei- oder Dreifingergreifer konstruiert. Neben einfachwirkenden Greifern mit Öffner (innerer Griff) oder Schließerfunktion (äußerer Griff) sind auch doppeltwirkende Greifer üblich.
In der nachfolgenden Abbildung wird der schematische Aufbau eines aktiven, doppeltwirkenden Parallelgreifers dargestellt:
- A = Pneumatikanschluss
- B = Pneumatikanschluss
- 1 = Langlöcher
- 2 = Seitliche Bewegung der Fingermontageplatte (gibt es für beide Richtungen)
- 3 = Schließen und Öffnen der Finger
Beim doppeltwirkenden Greifer gibt es zwei Pneumatikanschlüsse, die jeweils für das Öffnen und das Schließen des Greifers verantwortlich sind. Wird der Pneumatikanschluss A mit Druck beaufschlagt, wird der Kolben nach unten gedrückt und der Greifer schließt sich. Wird der Pneumatikanschluss B mit Druck beaufschlagt, wird der Kolben nach oben gedrückt und der Greifer öffnet sich. Über die Langlöcher (1) kann die Montagevorrichtung für die Fingermontage seitlich am Greiferkorpus verschoben werden (2). Im mittleren, diagonalen Langloch läuft das mit dem Kolben verbundene Lager. Durch Führung in diesem Langloch wird die Bewegung der Fingermontageplatte initiiert. Bewegt sich der Kolben in vertikaler Richtung, wird gleichzeitig die horizontale Bewegung der Fingermontageplatte zum Öffnen oder Schließen erzwungen (3).
Während Backengreifer meist für besonders breite oder große Objekte eingesetzt werden, kommen Klemmgreifer bei bestimmten Formen (z.B. Rohre), und Fingergreifer meist bei kleineren zu greifenden Objekten zum Einsatz. Aufgrund der verschiedenen Arten pneumatischer Greifer eignen sie sich für eine Vielzahl von Anwendungen z.B. in der Elektronikindustrie und bei der Automatisierung von Prozessen. Pneumatische Greifer arbeiten sehr effizient und zuverlässig, zeichnen sich durch niedrige Betriebskosten aus und können auf engem Raum eingesetzt werden. Außerdem sind sie einfach aufzubauen und zu handhaben.
Hydraulischer Greifer
Bei hydraulischen Greifern wird mit einer Hydraulikflüssigkeit, meist Hydrauliköl, gearbeitet. Die Hydraulikflüssigkeit wird über eine Hydraulikpumpe unter Druck gesetzt und so zum Arbeitszylinder transportiert, wo sie die Kraft überträgt. Sie funktionieren nach einem ähnlichen System wie Pneumatikgreifer.
Hydraulische Greifer ermöglichen sehr hohe Greifkräfte, weshalb sie für schwere Lasten eingesetzt werden können. Außerdem sind sie sehr widerstandsfähig und eignen sich auch für raue Umgebungsbedingungen. Aufgrund der Leckagegefahr können sie jedoch nicht zum Transport von Materialien eingesetzt werden, die nicht kontaminiert werden dürfen. Ihre hohe Greifkraft schließt sie außerdem für empfindliche Materialien aus. Hydraulische Greifer sind allgemein komplexer aufgebaut (durch z.B. Ölpumpen usw.) und somit etwas wartungsintensiver und teurer als andere Greifer.
Elektrischer Greifer
Elektrische Greifer besitzen eine Steuerung mit Mikroprozessoren, z.B. eine SPS-Steuerung. Schließgeschwindigkeit und Greifkraft können so präzise gewählt werden. Oft wird auch angezeigt, ob ein Werkstück erfolgreich aufgenommen wurde oder nicht. Über einen Elektromotor oder elektrische Aktuatoren wird eine Rotationsbewegung erzeugt. Diese Rotationsbewegung des Motors wird anschließend auf ein Getriebe übertragen, wo es als lineare Bewegung die Greifbacken bewegt. Die Greifbacken können z.B. parallel oder im Winkel konstruiert sein. Das elektronische Steuerungssystem überwacht und steuert die Prozesse. Häufig werden zusätzliche Sensoren verbaut, welche Kraft, Abstand und andere Parameter messen. Elektrische Greifer eignen sich gut für hohe Geschwindigkeiten und mehrschrittige Handlungen, da eine präzise Kontrolle möglich ist. Anders als bei z.B. Vakuum oder hydraulischen Greifern sind keine zusätzlichen Leitungen für Flüssigkeit oder Luft notwendig. Da ihre Greifoberfläche aber oft recht hart ausfällt, eignen sie sich nicht für empfindliche Objekte. Außerdem ist die Greifkraft eher niedrig, sodass sich schwere Objekte meist nur in der Variante als Untergreifer heben lassen.
Greifeinsätze
An den Greifbacken können Greifeinsätze verwendet werden, um die Kontaktfläche zwischen Greifer und Werkstück zu optimieren. Greifeinsätze verbessern so z.B. den Halt oder passen sich an spezielle Formen an. Ein Spannfutter ist eine Spezialform von Greifeinsatz, das in der Regel aus Stahl besteht und dadurch eine hohe Präzision und Festigkeit liefert, jedoch auch recht unflexibel ist. Weitere Materialien für Greifeinsätze können sein:
- Gummi/Elastomer wie z.B.: Silikon, Gummi, Polyurethan. Haften gut, sind flexibel und schonen die Oberfläche, sind aber auch nur bedingt haltbar in rauen Bedingungen
- Kunststoff z.B. Polyamid, Polyethylen. Sind leicht, günstig und schonen die Oberfläche, können aber bei hoher Belastung und Temperatur versagen.
- Spezialmaterialien wie Holz, Keramik für Spezialanwendungen. Keramik ist z.B. sehr hitzebeständig, Holz hingegen abriebfest. Aufgrund der Spezialisierung sind sie aber in der Regel teurer als andere Greifeinsätze.
Euro-Greifer-Tooling System
Das Euro-Greifer-Tooling-System wurde vom Automobil-Arbeitskreis entwickelt. Es ist ein standardisiertes System für die Befestigung und den Austausch von Greifern. In Europa ist es weit verbreitet und wird nicht nur in der Automobilbranche, sondern auch in anderen Industrien und Fertigungen eingesetzt. Die Basis des EGT-Systems bildet ein achteckiges Aluminiumprofil mit Rasterlochbohrung für schnellen Wechsel von Komponenten.
Durch standardisierte Schnittstellen, Schnellwechselmechanismen und Modularität ist so ein zeitsparender Austausch kaputter Komponenten möglich, was die Stillstandzeiten erheblich reduziert. Das EGT-System ist mit vielen Marken und Modellen kompatibel. Bei MISUMI gibt es ein umfassendes Sortiment an Komponenten nach EGT-System.
Beispielhafter Aufbau eines Greifersystems inkl. Komponenten
Greifersysteme bestehen - je nach Art des Greifers - aus folgenden Komponenten:
- Antriebseinheit: Sie steuert die Bewegung von Greifbacken oder Greifflächen. Sie kann ein Elektromotor sein (bei elektrischen Greifern) oder ein Zylinder (Hydraulikgreifer, Pneumatikgreifer)
- Steuerungssystem: Bei elektrischen Greifern übernimmt das Steuerungssystem die Bewegung des Greifers u.a. Aufgaben.
- Energiequelle: Je nach Greifer kann das sein: Stromquelle, Druckluftquelle oder Hydraulikpumpe.
- Sensoren: Werden bei elektrischen Greifern verbaut. Sie überwachen Druck, Kraft u.a. relevante Parameter.
- Montageadapter: Sie dienen der Befestigung von Greifern am Roboterarm o.a. Sie können standardisiert sein nach EGT-System.
Eine der wichtigsten Komponenten ist der Robotergreifer selbst. Er hat direkten Kontakt zum Greifobjekt. Auch hier gibt es verschiedene Arten, die je nach Anwendung ihren Einsatz finden. Bei Parallelgreifer z.B. sind die Greifbacken parallel angebracht, sodass die Kraft sich gleichmäßig an den Greifbacken verteilt. So lassen sich besonders gut Standardformen aufgreifen. Bei Winkelgreifern hingehen sind die Greifer ähnlich einer Zange. Sie passen sich so an unterschiedliche Formen an. Außerdem können mehr als ein Greifmechanismus verbaut sein, z.B. bei einem Mehrfachgreifer. Er kann mehrere Objekte gleichzeitig greifen. Zusätzlich dazu gibt es Multifunktionsgreifer, die mehrere Greifmethoden und Funktionen vereinen.
MISUMI bietet einige Komponenten, die beim Aufbau eines Greifersystems unterstützen: z.B. Montageplatten oder Positionierstifte
Berechnung von Greifkraft und Gewicht
Anhand der Greifkraft lässt sich das therotisch mögliche zu tragende Gewicht bestimmen. Für einen Parallelgreifer gilt dabei z.B.: Die Greifkraft ist die Summe der pro Finger angreifenden Einzelkräfte. Mit folgender Formel lässt sich daraufhin das maximale Gewicht des zu greifenden Objekts errechnen:
- m = Gewicht des Werkstücks in kg
- FG = arithmetische Summe der Greifkräfte
- µ = Reibungskoeffizient, materialabhängig
- g = Gravitation (9.81 m/s²)
- a = Beschleunigung (m/s²)
- S = Sicherheitsfaktor*
* Bei hoher Beschleunigung, Verzögerung oder wenn Stoßbelastung auftreten können, sollte ein höherer Sicherheitsfaktor berücksichtigt werden.