Prüftechnik - Anforderungen und Überblick der Verfahren

Als Teil der Qualitätssicherung und Funktionsprüfung hat die Prüftechnik einen hohen Stellenwert in der Produktionsumgebung. Dabei kommen unterschiedliche Werkstoffprüfverfahren zum Einsatz - von zerstörenden Prüfungen wie dem Zugversuch bis hin zu zerstörungsfreien Techniken wie der Ultraschallprüfung. In diesem Artikel erhalten Sie einen umfassenden Überblick über die Anforderungen an die Prüftechnik sowie verschiedene Prüfverfahren.

Grundlegendes zur Prüftechnik

Prüftechnik ist ein Teil der Qualitätssicherung, dient aber auch der Funktionsüberprüfung von Bauteilen und Produkten. Sie stellt sicher, dass Materialien und Komponenten den Anforderungen entsprechen und Fehler bereits früh in der Produktionskette erkannt und behoben werden. Oft werden die Begriffe Messtechnik und Prüftechnik synonym verwendet, tatsächlich ist die Messtechnik aber nur ein Teil der Prüftechnik. Näheres zur Messtechnik können Sie in unserem Artikel Messtechnik - Qualitätskontrolle durch Messverfahren nachlesen. Zur Prüftechnik zählen viele verschiedene Verfahren, wie z.B. die Sicht- oder Materialprüfung. Die nachfolgende Übersicht gibt einen detaillierteren Einblick in unterschiedliche Prüftechniken.

Übersicht über Werkstoffprüfverfahren
Übersicht über Werkstoffprüfverfahren

Unter Messen versteht man das quantitative Erfassen von physikalischen oder anderweitig numerisch darstellbaren Eigenschaften eines Bauteils, z.B. Länge oder Durchmesser. Unter Prüfen versteht man einen bewertenden Prozess, indem z.B. auch Messergebnisse unter bestimmten Prämissen und Anforderungen miteinander verglichen werden. Beim Prüfen wird z.B. die Normkonformität festgestellt. In diese Kategorie fällt auch die lehrende Prüfung. Die lehrende Prüfung ist funktionsorientiert und hat das Ziel, das zu prüfende Bauteil in seiner Einsatzumgebung zu prüfen. Zu diesem Zwecke werden sog. Lehren aufgebaut. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Artikel Prüftechnik - Lehrenbau.

Der quantitative und qualitative Ansatz

Quantitative und qualitative Prüftechnik beschreiben zwei grundlegende Ansätze der Qualitätsprüfung in der industriellen Fertigung. Bei quantitativen Prüfverfahren werden messbare, kontinuierliche Werte erfasst - etwa Länge, Härte oder Rauheit eines Bauteils. Diese Prüfungen liefern präzise Daten, die statistisch ausgewertet und zur Prozessüberwachung genutzt werden können. Im Gegensatz dazu erfassen qualitative Verfahren nicht messbare Merkmale, häufig in Form von attributiven Prüfungen, bei denen Prüfobjekte z.B. als "gut" oder "schlecht" klassifiziert werden - etwa durch Sichtkontrolle auf Kratzer oder Verfärbungen. Attributive Prüfungen kommen insbesondere dann zum Einsatz, wenn qualitative Merkmale nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand messbar sind. Häufig erfolgt die Bewertung visuell, durch Klangprüfungen oder den Einsatz von Lehren. Beispiele hierfür sind die Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit von Produkten, die Klangprüfung von Keramikartikeln oder die Sichtprüfung auf Schweißnahtunregelmäßigkeiten. Ein Probleme bei der attributiven Prüfung ist unter anderem die Subjektivität. Da die Beurteilung individuell vom Prüfer getätigt wird, kann die Beurteilung des gleichen Bauteils bei einem anderen Prüfer abweichend ausfallen. Auch die fehlende Differenzierung ist problematisch. Es gibt keine Abstufung in der Qualitätsbewertung. Relevant ist lediglich die Angabe, ob ein Merkmal vorhanden ist oder nicht.

Der Vorteil qualitativer Verfahren liegt in ihrer einfachen und schnellen Durchführbarkeit, ihr Nachteil ist die höhere Subjektivität und die geringere statistische Aussagekraft. Quantitative Prüfungen hingegen sind objektiv und reproduzierbar, erfordern jedoch oft aufwändigere Messtechnik und Schulung des Personals. In der Praxis werden beide Methoden häufig kombiniert, um sowohl messbare als auch visuell bewertbare Qualitätsaspekte zuverlässig zu prüfen.

Anforderungen an die Prüftechnik

An die Prüftechnik im Allgemeinen werden einige Anforderungen gestellt, damit die Prüfergebnisse sinnvoll weiterverarbeitet werden können und auch einen Mehrwert im Gesamtprozess besitzen:

  • Reproduzierbarkeit: Die Prüfergebnisse müssen unter identischen Bedingungen, unabhängig vom Bediener, gleich ausfallen. Nur so ist ein Vergleich möglich, v.a. bei Serienanfertigungen mit hohem Durchsatz.
  • Genauigkeit: Auch kleinste Fehler müssen erkannt werden. Gleichzeitig darf die Rate an Fehlmeldungen nicht zu hoch sein.
  • Automatisierungsfähigkeit: Moderne Prüfsysteme sollten sich nahtlos in bestehende Fertigungslinien integrieren lassen.
  • Datenerfassung und Rückverfolgbarkeit: Eine lückenlose Dokumentation der Prüfergebnisse ist essenziell, um Rückverfolgbarkeit und Prozessoptimierung zu ermöglichen.
  • Validierung von Prüfmethoden: Die Prüfmethode muss nachweislich dazu geeignet sein, die geforderten Qualitätsmerkmale zuverlässig unter realen Bedingungen zu prüfen.

Verschiedene Prüfmethoden

Prüfmethoden lassen sich allgemein in zerstörende und zerstörungsfreie Methoden unterteilen. Der Zugversuch ist z.B. eine Methode zur Materialprüfung, bei der die mechanischen Materialeigenschaften durch Verwenden einer Zugbelastung getestet werden. Somit lassen sich Zugfestigkeit, Streck- und Dehngrenze bestimmen. Das geprüfte Objekt wird dabei allerdings vollständig zerstört. Der Fokus des Artikels soll jedoch auf zerstörungsfreien Prüfungverfahren (auch ZfP-Verfahren genannt) liegen, bei denen das Prüfobjekt nicht zerstört wird.

Die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, auch NDT-Prüfung (von engl. Non-Destructive Testing) ermöglicht die frühzeitige Detektion von Materialfehlern, ohne das Bauteil zu beeinträchtigen. Sie wird in Bereichen wie dem Maschinenbau, der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie sowie im Anlagen- und Rohrleitungsbau eingesetzt.

Typische Zielgrößen der Prüfung sind Risse, Poren, Bindefehler oder Delaminationen. Moderne ZfP-Verfahren lassen sich in Fertigungslinien integrieren und ermöglichen damit die Prüfung direkt im laufenden Produktionsprozess. Gerade die Oberflächenrissprüfung zählt zu den häufigsten zerstörungsfreien Prüfmethoden in der Metallverarbeitung und ist ein fester Bestandteil vieler Werkstoffprüfverfahren für Metalle.

Die DIN EN ISO 9712 qualifiziert Personal, zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen durchzuführen. Es gibt drei Qualifizierungsstufen, wobei mit Qualifizierungsstufe 1 dazu befähigt, ZfP unter Aufsicht durchzuführen. Die Zertifizierung lässt sich für verschiedene Verfahren erwerben, wie z.B. die Ultraschallprüfung, Sichtprüfung oder Magnetpulverprüfung. Im Folgeabschnitt stellen wir Ihnen einige Arten zerstörungsfreier Werkstoffprüfungen vor.

Sichtprüfung

Die Sichtprüfung ist die einfachste Methode der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Sie erfolgt entweder mit bloßem Auge oder unter Zuhilfenahme von Messinstrumenten wie Lupen, Endoskopen oder Kamerasystemen. Auch die sogenannte Eindringprüfung gehört zu den Sichtprüfungen. Hier werden Eindringmittel, die häufig eingefärbt sind, auf das zu prüfende Material aufgebracht. Durch seine niedrige Oberflächenspannung und hohe Kapillarwirkung kann das Eindringmittel leicht in Öffnungen und Risse der Prüfteiloberfläche eindringen. Die Fehlstellen werden dadurch besser erkennbar. Teilweise werden auch fluoreszierende Eindringmittel genutzt, wodurch auch kleinste Fehlstellen unter UV-Licht sichtbar werden.

Fehlstelle unter UV-Licht
Fehlstelle unter UV-Licht

Die Sichtprüfung hat das Ziel, Oberflächenfehler wie Risse, Korrosion oder Fehlstellen zu erkennen. Sie ist vergleichsweise günstig, erfordert für eine korrekte Einschätzung der Oberflächenabweichungen aber speziell geschultes Personal. Probleme bei subjektiven Prüfmethoden sind außerdem, dass sie zusätzlich von der Konzentration und Tagesform des Prüfers abhängen. Es können Schwankungen in der Beurteilung entstehen, die zu falsch positiven oder falsch negativen Bewertungen führen. Hinzu kommt, dass menschliche Prüfer bei langen Schichten ermüden und visuell weniger deutlich angezeigte Defekte mitunter übersehen - insbesondere bei monotonen Aufgaben oder geringem Kontrast. Die Sichtprüfung sollte daher immer auch mit anderen Verfahren kombiniert werden, um eine umfassende Beurteilung zu ermöglichen.

Qualitative Zustands-Einschätzung des Prüfobjekts
Qualitative Zustands-Einschätzung des Prüfobjekts

Wirbelstromprüfung

Die Wirbelstromprüfung ist ein elektromagnetisches Prüfverfahren zur Detektion von Fehlern in elektrisch leitfähigen Werkstoffen. Mittels einer Erregerspule in der Prüfsonde wird ein hochfrequentes Wechselfeld erzeugt, welches im Prüfobjekt Wirbelströme erzeugt. Veränderungen auf der Oberfläche führen zu messbaren Signaländerungen. Die Prüfsonde muss entsprechend konfiguriert werden, was je nach Material und Fehlerbild unterschiedlich ist.

Magnetpulverprüfung

Die Magnetpulverprüfung ist ein Verfahren zur Detektion von Oberflächen- und nahegelegenen Untergrundfehlern in ferromagnetischen Materialien. Dabei wird das Prüfobjekt magnetisiert und anschließend mit feinen magnetischen Partikeln bestäubt; an Fehlstellen sammeln sich diese Partikel und machen so Risse oder Einschlüsse sichtbar.

Magnetpulverprüfung
Magnetpulverprüfung

Die Magnetpulverprüfung lässt sich zur Darstellung feiner Oberflächen- und Nahtfehler bei ferromagnetischen Materialien verwenden. Ob ein Riss als zu groß eingestuft wird, entscheidet jedoch - ähnlich wie bei der Sichtprüfung - ausschließlich der Prüfer. Dadurch kann es je nach Erfahrungsgrad des Prüfers auch zu Fehleinschätzungen kommen. Außerdem ist der Reinigungsaufwand nach der Prüfung recht hoch. Die Magnetpulverprüfung eignet sich daher vor allem für geringe Stückzahlen und Prüfer mit Erfahrung.

Automatisierte optische Prüfung

Mithilfe von Kamerasystemen und Software werden Produkte automatisch auf Defekte analysiert und bewertet. Moderne AOI-Systeme (Automated Optical Inspection) erkennen fehlerhafte Strukturen, Dimensionsabweichungen oder Oberflächenmängel. Durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeitskameras und multispektralen Beleuchtungssystemen können auch kontrastarme Defekte, wie z.B. matte Stellen oder Mikrorisse, sichtbar gemacht werden. Moderne AOI-Systeme nutzen zunehmend KI-Algorithmen und Deep Learning, um sich automatisch an neue Fehlerbilder anzupassen und Falschmeldung zu minimieren. Die Anwendung reicht von Leiterplatten bis hin zu komplexen Spritzgussteilen. Vorteil der AOI-Prüfung ist die vollautomatische und schnelle Erfassung von Oberflächenfehlern. Der Nachteil ist, dass sie lediglich auf visuell erfassbare Mängel beschränkt ist.

Ultraschallprüfung

Die Ultraschallprüfung nutzt hochfrequente Schallwellen, um innere Unregelmäßigkeiten in Werkstoffen zu erkennen. Das Prüfobjekt wird dabei mit einem Messkopf mit Ultraschallsender- und Empfänger versehen und anschließend wird der Ultraschall über ein Koppelmedium in das Prüfobjekt geleitet. Durch die Analyse der reflektierten Schallwellen können sowohl oberflächennahe als auch tief im Material liegende Defekte identifiziert werden. In der Regel wird der Ultraschall nur einmal, zum Beispiel an der Rückwand des Prüfobjektes reflektiert. Befinden sich aber Fehlstellen im Prüfobjekt, werfen diese ein zusätzliches Echo zurück. Die Ultraschallprüfung eignet sich für jegliche Materialarten.

Ultraschallprüfung
Ultraschallprüfung

Während Verfahren wie die Wirbelstromprüfung ab einer gewissen Eindringtiefe schnell an ihre Grenzen kommen, können mit der Ultraschallprüfung besonders dicke oder schwer zugängliche Bauteilen geprüft werden. Der Nachteil der Ultraschallprüfung ist, dass die Ergebnisse interpretiert werden müssen, wozu es erfahrenes Fachpersonal bedarf. Außerdem ist die Kalibrierung recht aufwendig.

Prüfung elektronischer Bauteile

In der Fertigung werden elektronische Bauteile und Platinen im Rahmen von In-Ciruit-Tests oder Funktionstest geprüft. Es werden z.B. die zuverlässige Signalübertragung Isolation oder definierte Widerstandswerte geprüft. Bei der Prüfung kommen sogenannte Federkontaktstifte zum Einsatz. Aufgrund der federnd gelagerten Spitze der Federkontaktstifte können sie sich flexible an die Oberfläche anpassen und beschädigen bei richtig gewähltem Anpressdruck die Oberfläche nicht. Mehr Informationen zu Federkontaktstiften finden Sie in unserem Artikel Prüftechnik - Prüfung von Leiterplatten (Federkontaktstifte).

Platinenprüfung mit Federkontaktstiften
Platinenprüfung mit Federkontaktstiften