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Reibung und Reibungskoeffizient - Reibwerte von Materialien ermitteln
Der Reibungskoeffizient ist eine aus dem Bereich der Tribologie stammende physikalische Größe für die Reibung zwischen zwei Objekten. Dabei setzt der Reibungskoeffizient die Kraft, die bei der Reibung (Reibungskraft) entsteht, ins Verhältnis zu der Kraft, mit der die Objekte aneinandergepresst (Anpresskraft) werden. Der Reibungskoeffizient ist damit eine wichtige Kenngröße, wenn Materialabnutzung und Gleiteigenschaften untersucht werden sollen. In diesem Artikel werden die Grundlagen des Reibungskoeffizienten, seine Messmethoden und seine Anwendungen in der Technik erläutert.
Was ist Trockenreibung?
Die allgemeine Reibung ist die Widerstandskraft zwischen zwei festen Oberflächen und verzögert die relative Bewegung in die entgegengesetzte Richtung.
Trockenreibung eine spezielle Art der Reibung, wenn zwischen den Oberflächen kein Schmiermittel oder eine Flüssigkeit vorhanden ist. Die Trockenreibung hängt maßgeblich von der Rauheit der Kontaktflächen ab.
Wenn Flüssigkeiten oder Schmiermitteln eine Rolle spielen, spricht man von Flüssigkeitsreibung. In anderen Medien (z. B. Luft oder Wasser) spricht man hingegen von Luftreibung oder Strömungsreibung.
Reibung kann in vielen industriellen Anwendungen und Situationen beobachtet werden, wenn beispielsweise eine Schraube in ein Innengewinde gedreht wird. Oder wenn sich Gewindemuttern einem Gewindetrieb entlang bewegen (z. B. im 3D-Druck). Meist ist das Ziel, die Reibung zu minimieren und damit die Verschleißfestigkeit des Systems zu erhöhen.
Arten der Trockenreibung
Die Trockenreibung kann in zwei Kategorien unterteilt werden:
- Statische Reibung: Die statische Reibung tritt auf, wenn die zwei Oberflächen in Kontakt sind, aber noch nicht gegeneinander bewegt wurden.
- Dynamische Reibung: Wenn eine äußere Kraft ausreichend groß ist, um die Bewegung zwischen zwei Oberflächen zu initiieren, tritt die dynamische Reibung auf.
Diese beiden Kategorien von Trockenreibung zeigen ein unterschiedliches Verhalten,
Statische Reibung
Die statische Reibung (auch Haftreibung oder Ruhereibung genannt) tritt auf, wenn die angewendete Kraft nicht groß genug ist, um die Bewegung zu starten, und das Objekt in Ruhe bleibt oder im Gleichgewicht bleibt.
Statische Reibungskraft berechnen
Der statische Reibungskoeffizient (μs) beschreibt das Verhältnis zwischen der Normalkraft (FN) und der resultierenden Reaktionskraft bzw. Haftreibung (FH), bevor die Bewegung beginnt - also in Ruhelage:
In der schiefen Ebene mit Reibwinkel gilt für die Normalkraft:
In der Ebene ohne Reibwinkel gilt für die Normalkraft:
Der Reibungskoeffizient ist immer einheitenlos und wird experimentell ermittelt. In den meisten Fällen wurden die Reibungskoeffizienten verschiedener Werkstoff-Paarungen (z.B. Stahl auf Stahl) bereits ermittelt und können in einschlägiger Fachliteratur nachgelesen werden - siehe auch „Werkstoffe und Tabelle mit Reibungskoeffizienten“.
- FN - Normalkraft
- FH - Haftreibungskraft / statische Reibungskraft
- FG - Gewichtskraft (mit g ≈ 9.81 m/s2)
- m - Masse des Objekts
- α - Reibwinkel
- β = 90° - α
Dynamische Reibung
Die dynamische Reibung (auch kinetische Reibung genannt) tritt auf, wenn die angewendete Kraft groß genug ist, um das Objekt in Bewegung zu setzen.
Dynamische Reibungskraft berechnen
Der dynamische Reibungskoeffizient (μd) beschreibt das Verhältnis zwischen der Reibungskraft (FR) und der Normalkraft (FN) während der Bewegung zwischen den Oberflächen:
In der schiefen Ebene mit Reibwinkel gilt für die Normalkraft:
In der Ebene ohne Reibwinkel gilt für die Normalkraft:
Der Reibungskoeffizient ist immer einheitenlos und wird experimentell ermittelt. In den meisten Fällen wurden die Reibungskoeffizienten verschiedener Werkstoff-Paarungen (z.B. Stahl auf Stahl) bereits ermittelt und können in einschlägiger Fachliteratur nachgelesen werden - siehe auch „Werkstoffe und Tabelle mit Reibungskoeffizienten“.
- FN - Normalkraft
- FD - Gleitreibungskraft / dynamische Reibungskraft
- FG - Gewichtskraft (mit g ≈ 9.81 m/s2)
- m - Masse des Objekts
- α - Reibwinkel
- β = 90° - α
Reibungskoeffizienten und Reibwerte experimentell ermitteln
Die Reibungskoeffizienten für die statische Reibung und dynamische Reibung müssen experimentell ermittelt werden, da sie von verschiedenen Faktoren abhängen, wie der Beschaffenheit und Rauheit der Oberflächen, der Bewegungsgeschwindigkeit und den Umgebungsbedingungen.
Die experimentelle Ermittlung von Reibungskoeffizienten und Reibwerten erfordert eine präzise Durchführung von Reibungstests unter kontrollierten Bedingungen.
- Entwerfen Sie einen geeigneten Versuchsaufbau, der es ermöglicht, zwei Materialproben oder Oberflächen aneinander zu reiben. Der Aufbau sollte erlauben, eine äußere Kraft oder ein Gewicht aufzubringen, um die Reibung zu initiieren und die Bewegung zu steuern.
- Wählen Sie die Materialien aus, deren Reibungskoeffizienten Sie ermitteln möchten, und stellen Sie sicher, dass die Oberflächen sauber und frei von Verunreinigungen sind. Die Oberflächen sollten eine repräsentative Darstellung der tatsächlichen Anwendungsbedingungen bieten.
- Bereiten Sie die Oberflächen der Materialproben sorgfältig vor, um Unebenheiten durch Verunreinigungen zu minimieren. Saubere Oberflächen tragen zu reproduzierbaren Ergebnissen bei.
- Kontrollieren Sie die Umgebungsbedingungen und halten Sie sie bei jedem durchgeführten Versuch konstant. Führen Sie die Versuche in einer kontrollierbaren Umgebungen durch, wo sie möglichst viele Umweltfaktoren konstant halten können. Das betrifft vor allem den Luftdruck (Δp konstant), die Temperatur (ΔT konstant) und die Luftfeuchtigkeit.
- Führen Sie die Reibungstests durch. Messen Sie die aufgebrachten Kräfte und die resultierenden Reaktionskräfte bzw. Reibkräfte, während die Bewegung stattfindet oder wenn Sie versuchen, die Bewegung zu initiieren.
- Wiederholen Sie die Reibungstests mehrmals, um aussagekräftige Daten zu erhalten.
- Berechnen Sie die Reibungskoeffizienten (μs und μd) basierend auf den gemessenen Daten. Verwenden Sie die entsprechenden Formeln, um die Reibungskoeffizienten bzw. Reibwerte für die ausgewählte Materialkombination zu ermitteln. Notieren Sie die auch die Umgebungsbedingungen.
Während des Versuchs messen Sie die folgenden Kräfte:
- Am Federkraftmesser die Haftreibungskraft messen, kurz bevor sich das Objekt in Bewegung setzt.
- Am Federkraftmesser die Gleitreibungskraft messen, während sich das Objekt bewegt.
Anschließend die Reibungskoeffizienten berechnen:
Haftreibungskoeffizient bzw. statischer Reibungskoeffizient
Gleitreibungskoeffizient bzw. dynamischer Reibungskoeffizient
Messgenauigkeit und Empfindlichkeit sind entscheidend, um präzise Daten zu erhalten. Die ermittelten Reibungskoeffizienten können stark von den spezifischen Anwendungsbedingungen abhängen.
Die experimentelle Ermittlung der Reibwerte kann zeitaufwändig und kostspielig sein. Dennoch ist sie unerlässlich, um das Verständnis der Reibungseigenschaften von Materialien zu verbessern und effiziente technische Anwendungen zu entwickeln. Eine sorgfältige Planung, präzise Durchführung und statistische Auswertung sind erforderlich, um genaue und verlässliche Ergebnisse zu erzielen.
Bedeutung der Reibung in industriellen Anwendungen
Die Reibung spielt eine zentrale Rolle in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen und ist ein grundlegendes physikalisches Phänomen, das nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt.
In vielen technischen Systemen, wie Motoren, Getrieben oder Lagern, ist es erforderlich, Reibung zu kontrollieren oder zu minimieren, um Energieverluste und Verschleiße zu reduzieren und die Effizienz zu verbessern.
- Bewegungssteuerung und Bremssysteme: Reibung wird in Bremssystemen genutzt, um die Bewegung von Maschinen zu steuern und zu verlangsamen. Ein gezieltes Ausnutzen der Reibungseigenschaften ermöglicht präzise Steuerung und Sicherheit.
- Haftreibung und Stabilität: In vielen Anwendungen, wie beim Stehen auf einer geneigten Fläche, ist die Haftreibung von entscheidender Bedeutung, um die Stabilität und Verhinderung von Schlupf zu gewährleisten.
- Materialverschleiß und Lebensdauer: Die Reibung kann zu Materialverschleiß führen, welcher die Lebensdauer von Komponenten verringern kann. Es ist wichtig, die Reibungseigenschaften zu verstehen, um Verschleiß zu minimieren und die Lebensdauer von Bauteilen zu maximieren.
- Werkstoffauswahl: Die Kenntnis der Reibungseigenschaften von Materialien ist entscheidend bei der Werkstoffauswahl für spezifische Anwendungen. Die Reibwerte müssen berücksichtigt werden, um optimale Materialkombinationen für bestimmte Einsatzzwecke auszuwählen.
- Schmierung: Eine effiziente Schmierung ist entscheidend, um die Reibung und den Verschleiß in vielen mechanischen Systemen zu reduzieren und deren Lebensdauer zu verlängern.
Einfluss der Reibung auf den Verschleiß
Die meisten industriellen Anwendungen haben folgende Ziele:
- den Verschleiß minimieren
- die Effizienz des Systems maximieren
- die Lebensdauer des Systems maximieren
Reibung, Schmierung, Rauheit und Verschleiß bilden ein dynamisches System und bedingen sich wechselseitig.
Die wissenschaftlichen Hintergründe von Reibung und Verschleiß werden im Gebiet der Tribologie erforscht - der Lehre von Reibung, Schmierung und Verschleiß bei Bauteilen. Alle industriellen Anwendungen, wo mechanische Komponenten zusammenarbeiten oder aufeinander treffen, können als sog. tribologisches System betrachtet werden.
Die gegenseitigen Wechselwirkungen sind besonders in Langzeitanwendungen zu berücksichtigen:
- Die Temperatur und andere Umgebungsbedingungen können die Reibungseigenschaften beeinflussen. Bei höheren Temperaturen können die Materialien weicher werden, was zu einer veränderten Reibung führen kann. Andererseits kann eine hohe Temperatur auch zu Schmiermittelversagen oder erhöhtem Verschleiß führen.
- Der Verschleiß der Kontaktflächen (z.B. Abrasion) kann langfristig die Reibungseigenschaften beeinflussen. Wenn sich Material von den Kontaktflächen abnutzt oder ablöst, kann dies zu einer Änderung der Reibungsfaktoren führen. Ein erhöhter Verschleiß kann auch zu einer Erhöhung der Reibung und Verschlechterung der Leistungsfähigkeit führen.
- Die Schmierung, ob in Form von Flüssigkeiten oder Feststoffen, spielt eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung der Reibung. Eine geeignete Schmierung kann die Reibung reduzieren und Verschleiß minimieren. Allerdings kann eine unzureichende Schmierung oder der Mangel an Schmierung zu einem Anstieg der Reibung und erhöhtem Verschleiß führen.
In allen industriellen Anwendungen ist es wichtig, die Wechselwirkungen zu berücksichtigen und regelmäßig Verschleißkontrollen durchzuführen.
Maßnahmen zur Erhöhung der Reibung
In einigen industriellen Anwendungen kann es wichtig sein, die Reibung von Bauteilen zu erhöhen. Zum Beispiel um ein Lösen von Schraubverbindungen zu verhindern.
Um die Reibung zu erhöhen, gibt es beispielweise folgende Maßnahmen:
- Oberflächenrauheit bzw. Rauigkeit erhöhen: Durch Aufrauen einer Oberfläche kann die Reibung erhöht werden. Eine Möglichkeit des Aufrauens ist das sog. Strahlen (z.B. Sweep-Strahlen), beim die Oberfläche direkt verändert wird. Eine andere Möglichkeit die Oberflächenbehandlung, bei eine Ummantelung auf den Grundwerkstoff aufgebracht wird - zum Beispiel durch Feuerzinken.
- Reibungsadditive verwenden: Bei bestimmten Maschinenölen, können Additive hinzugefügt werden, um die Reibung zu erhöhen.
- Haftmittel oder Padding verwenden: Durch das Anbringen von Haftmitteln oder Pads kann die Reibung erhöht werden. Zum Beispiel bei Schraubverbindungen sind Teflon-Band oder Schraubensicherungslack geeignet. Diese Mittel können auch einen abdichtenden Effekt haben.
Werkstoffe und Tabelle mit Reibungskoeffizienten
Nachfolgend finden Sie eine Übersicht mit den Trockenreibungskoeffizienten typischer Werkstoff-Paarungen.
Materialpaarung | Haftreibung μ |
---|---|
Unlegierter Stahl - Unlegierter Stahl | 0.4 |
Baustahl - Kupfer | 0.4 |
Baustahl - Aluminium | 0.36 |
Baustahl - Messing | 0.46 |
Baustahl - Gusseisen | 0.2 |
Baustahl - Aluminiumbronze | 0.2 |
Baustahl - verbleite Bronze | 0.18 |
Baustahl - Glas | 0.51 |
Baustahl - Kohlenstoff | 0.21 |
Baustahl - Gummi | 0.9 |
Baustahl - Fluorpolymer | 0.04 |
Baustahl - Polystyrol | 0.3 |
Hartstahl - Graphit | 0.15 |
Hartstahl - Fluorpolymer | 0.06 |
Hartstahl - Nylon | 0.24 |
Hartstahl - Glas | 0.48 |
Hartstahl - Rubin | 0.24 |
Hartstahl - Saphir | 0.35 |
Hartstahl - Molybdändisulfid | 0.15 |
Kupfer - Kupfer | 1.4 |
Silber - Silber | 1.4 |
Silber - Baustahl | 0.3 |
Glas - Glas | 0.7 |
Rubin - Rubin | 0.15 |
Saphir - Saphir | 0.15 |
Fluorpolymer - Fluorpolymer | 0.04 |
Polystyrol - Polystyrol | 0.5 |
Nylon - Nylon | 0.2 |
Holz - Holz | 0.3 |
Baumwolle - Baumwolle | 0.6 |
Seide - Seide | 0.25 |
Papier - Gummi | 1 |
Holz - Ziegelstein | 0.6 |
Diamant - Diamant | 0.1 |
Ski - Schnee | 0.05 |