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Tutorial: Ausdehnungskoeffizienten von Materialien - Fachbereich Materialwissenschaften
In der Materialwissenschaft spielen die Ausdehnungskoeffizienten von Materialien eine entscheidende Rolle. Ausdehnungskoeffizienten beschreiben, wie sich die Abmessungen eines Materials unter Einfluss von Temperaturschwankungen verändern. Dieser Artikel gibt eine umfassende Einführung in das Thema, einschließlich der Grundlagen der thermischen Ausdehnung, der Einflussfaktoren, sowie der verschiedenen Messmethoden. Darüber hinaus werden typische Ausdehnungskoeffizienten von Materialklassen verglichen und ihre Anwendungen in verschiedenen Industriezweigen erläutert. Abschließend werden thermische Spannungen und Möglichkeiten zur Vermeidung von Schäden durch Temperaturunterschiede in Materialien behandelt.
Anwendungen und Bedeutung von Ausdehnungskoeffizienten
Im Maschinenbau und Sondermaschinenbau spielt das Wissen über die Ausdehnungskoeffizienten von Materialien eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion und Herstellung von Maschinen und Anlagen.
- Präzision und Maßhaltigkeit: Im Maschinenbau ist Präzision von großer Bedeutung, insbesondere im Stanzwerkzeugbau, Spritzgusswerkzeugbau und bei Präzisionsanlagen. Die Ausdehnungskoeffizienten der verwendeten Materialien müssen berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die Bauteile ihre Maßhaltigkeit bei wechselnden Temperaturen beibehalten. Das Verständnis der thermischen Ausdehnungseigenschaften hilft Ingenieuren dabei, die genauen Abmessungen und Toleranzen zu berücksichtigen und die Maßhaltigkeit von Bauteilen und Maschinen sicherzustellen.
- Passung und Montage: Bei der Konstruktion von Maschinen müssen häufig Teile mit unterschiedlichen Materialien miteinander verbunden werden, beispielsweise durch Schrauben, Bolzen oder Presspassungen. Die Ausdehnungskoeffizienten der Materialien müssen kompatibel sein, um unerwünschte Spannungen und Verformungen während des Betriebs zu vermeiden. Das richtige Design von Passungen und die korrekte Montage unter Berücksichtigung der thermischen Ausdehnung ist entscheidend, um eine sichere und dauerhafte Verbindung zu gewährleisten.
- Linearführungen und Gleitlager: In Maschinen, die mit Linearführungen oder Gleitlagern arbeiten, ist es wichtig, die thermische Ausdehnung der Führungsschienen oder Führungselemente zu berücksichtigen. Die Ausdehnungskoeffizienten der Führungen müssen mit denen des umgebenden Gehäuses oder der Struktur abgestimmt werden, um eine reibungslose Bewegung und eine gleichbleibende Funktionalität zu gewährleisten.
- Temperaturkompensation: In einigen Anwendungen im Maschinenbau können sich die Betriebstemperaturen erheblich ändern, beispielsweise bei Schmelz- oder Hochtemperaturprozessen. Die Kenntnis der Ausdehnungskoeffizienten der verwendeten Materialien ermöglicht es, thermische Kompensationssysteme zu entwickeln, die Verformungen oder Beschädigungen der Maschinen und Bauteile bei wechselnden Temperaturen minimieren.
Typische Längenausdehnungskoeffizienten von Materialien
Die Ausdehnungskoeffizienten von Materialien können je nach Materialklasse stark variieren.
Metalle
Metalle haben in der Regel einen relativ hohen linearen Ausdehnungskoeffizienten.
- Ausdehnungskoeffizient Aluminium: 23 x 10-6 K-1
- Ausdehnungskoeffizient Kupfer: 16.5 x 10-6 K-1
- Ausdehnungskoeffizient Eisen: 12 x 10-6 K-1
- Ausdehnungskoeffizient Stahl: 12 x 10-6 K-1
- Ausdehnungskoeffizient Nickel: 13 x 10-6 K-1
Hinweis: Diese Angaben dienen lediglich als Referenzwerte.
Polymere
Polymere haben im Vergleich zu Metallen in der Regel einen deutlich höheren Ausdehnungskoeffizienten.
Werkstoff |
Ausdehnungskoeffizient [x 10-6 K-1] |
---|---|
Polyethylen (PE) |
100 - 250 |
Polypropylen (PP) |
100 - 200 |
Polystyrol (PS) |
50 - 100 |
Polyvinylchlorid (PVC) |
50 - 80 |
Hinweis: Diese Angaben dienen lediglich als Referenzwerte.
Verbundwerkstoffe
Verbundwerkstoffe bestehen aus mehreren Materialkomponenten, die in einer Matrix miteinander verbunden sind. Die Ausdehnungskoeffizienten von Verbundwerkstoffen können stark variieren und hängen von den Anteilen der einzelnen Komponenten ab.
Wichtig ist hierbei zu beachten, dass Kunststoffe auch negative Ausdehnungskoeffizienten haben können. Temperaturänderungen erzeugen in diesen Bauteilen Spannungen, die Vorteile und Nachteile haben können.
Grundlagen der thermischen Ausdehnung
Die thermische Ausdehnung ist ein fundamentales physikalisches Phänomen, bei dem sich die Abmessungen eines Materials ändern, wenn es Temperaturveränderungen ausgesetzt ist. Dieser Effekt tritt aufgrund der Bewegung der Atome oder Moleküle im Material auf. Mit zunehmender Temperatur erhöht sich die durchschnittliche kinetische Energie der Teilchen, was zu einer Ausdehnung des Materials führt.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient ist eine physikalische Größe, die angibt, wie stark sich die Länge eines Materials pro Längeneinheit ändert, wenn es einer Temperaturänderung ausgesetzt wird. Er quantifiziert die lineare Ausdehnung eines Materials entlang einer bestimmten Richtung, wie beispielsweise entlang einer Achse, eines Drahts oder einer Stange.
Formal ausgedrückt ist der lineare Ausdehnungskoeffizient (αL) definiert als die relative Längenänderung (ΔL/L0) eines Materials pro Temperaturänderung (dT). Die Definition lautet:
- αL ist der lineare Ausdehnungskoeffizient in der Einheit 1/K (Kelvin).
- ΔL ist die Änderung der Länge des Materials in einer bestimmten Richtung.
- L0 ist die ursprüngliche Länge des Materials, bevor es der Temperaturänderung ausgesetzt wurde.
- dT ist die Temperaturänderung in Kelvin (K) oder Grad Celsius (°C)
Ein positiver Wert des linearen Ausdehnungskoeffizienten bedeutet, dass das Material mit zunehmender Temperatur expandiert und sich ausdehnt. Ein negativer Wert würde bedeuten, dass das Material bei steigender Temperatur schrumpft und sich zusammenzieht. Die meisten Materialien haben einen positiven linearen Ausdehnungskoeffizienten, was bedeutet, dass sie sich bei Erwärmung ausdehnen und bei Abkühlung wieder zusammenziehen.
Der lineare Ausdehnungskoeffizient variiert normalerweise mit der Temperatur. In der Nähe von Phasenumwandlungen - zum Beispiel beim Schmelzen oder Erstarren, kann es zu einer Anomalie in der Ausdehnung kommen. Diese Anomalie wird durch Änderungen in der Struktur oder im Aggregatzustand des Materials verursacht und ist in der Thermodynamik auch als kritischer Punkt oder Umwandlungspunkt bekannt. Dieser kritische Punkt kann entscheidend sein, wenn es um die Konstruktion von Bauteilen oder Geräten geht, da hier besondere Vorsicht geboten ist, um Schäden durch thermische Spannungen zu vermeiden.
Rechenbeispiel zum Wärmeausdehnungskoeffizient
In einem Dilatometer wird ein Prüfling bei einer Referenztemperatur von 20 °C mit einer Länge von 0.1 m aus Stahl untersucht. Bei 35 °C hat das Material eine Länge von 0.100018 m.
Lineare Ausdehnung
Die lineare Ausdehnung beschreibt die Änderung der Länge eines Materials in einer bestimmten Richtung, wenn es einer Temperaturänderung ausgesetzt wird. Diese Art der Ausdehnung tritt in Materialien auf, die eine bestimmte geometrische Form haben, wie zum Beispiel Stangen, Drähte oder Rohre. Bei der linearen Ausdehnung dehnt sich das Material entlang einer Achse oder Linie aus.
- L0 - Ausgangslänge
- L1 - Ausgedehnte Länge
- ΔL - Längenänderung
Der lineare Ausdehnungskoeffizient (αL) quantifiziert diese Art der Ausdehnung und gibt an, wie stark sich die Länge eines Materials pro Längeneinheit pro Kelvin (K) oder Grad Celsius (°C) ändert. Ein positives αL bedeutet, dass das Material sich mit steigender Temperatur ausdehnt, während ein negatives αL darauf hindeutet, dass das Material bei steigender Temperatur schrumpft.
Flächenausdehnung von Materialien bei Temperaturänderungen
Die Flächenausdehnung beschreibt die Änderung der Fläche eines Materials bei Temperaturänderungen. Dies tritt bei Materialien auf, die flache, zweidimensionale Formen haben, wie zum Beispiel Platten oder Bleche.
Die Flächenausdehnung ist eine Kombination der linearen Ausdehnung in zwei orthogonalen Richtungen.
- W0 - Ausgangsbreite
- W1 - Ausgedehnte Breite
- ΔW - Breitenänderung
- L0 - Ausgangslänge
- L1 - Ausgedehnte Länge
- ΔL - Längenänderung
Der Flächenausdehnungskoeffizient (αA) gibt an, wie stark sich die Fläche eines Materials pro Flächeneinheit pro Kelvin oder Grad Celsius ändert. Er ist mit dem linearen Ausdehnungskoeffizienten (αL) und der Dimension des Materials verbunden.
Der Flächenausdehnungskoeffizient wird aus der Flächenänderung, der Ausgangsfläche und der Temperaturänderung berechnet:
Flächenausdehnungskoeffizient αA
- αA ist der lineare Flächenausdehnungskoeffizient in der Einheit 1/K (Kelvin).
- ΔA ist die Änderung der Fläche des Materials in einer bestimmten Richtung.
- A0 ist die ursprüngliche Fläche des Materials, bevor es der Temperaturänderung ausgesetzt wurde.
- dT ist die Temperaturänderung in Kelvin (K) oder Grad Celsius (°C).
Rechenbeispiel zum Wärmeausdehnungskoeffizient Kupfer
Ein Kupferblech mit einer zu vernachlässigenden Dicke hat eine Ausgangsfläche A0 von 0.5 m x 1 m. Der Ausdehnungskoeffizient αL beträgt 16.5 x 10-6 K-1. Die Temperatur wird um 20 K erhöht.
Volumenausdehnung von Materialien
Die Volumenausdehnung beschreibt die Änderung des Volumens eines Materials bei Temperaturänderungen. Dies ist relevant für Materialien, die eine dreidimensionale Form haben, wie zum Beispiel Würfel oder Kugeln. Die Volumenausdehnung ist eine Kombination der linearen Ausdehnung in drei orthogonalen Richtungen.
Der Volumenausdehnungskoeffizient (αV) gibt an, wie stark sich das Volumen eines Materials pro Volumeneinheit pro Kelvin oder Grad Celsius ändert. Er ist mit dem linearen Ausdehnungskoeffizienten (αL) und der Dimension des Materials verbunden.
Die Beziehung zwischen dem Volumenausdehnungskoeffizienten und dem linearen Ausdehnungskoeffizienten lautet:
Volumenausdehnungskoeffizient αV
- αV ist der lineare Volumenausdehnungskoeffizient in der Einheit 1/K (Kelvin).
- ΔV ist die Änderung des Volumens des Materials in einer bestimmten Richtung.
- V0 ist das ursprüngliche Volumen des Materials, bevor es der Temperaturänderung ausgesetzt wurde.
- dT ist die Temperaturänderung in Kelvin (K) oder Grad Celsius (°C).
Für kleine Temperaturänderungen kann αV vereinfacht betrachtet werden:
In den meisten Fällen haben Materialien einen positiven linearen Ausdehnungskoeffizienten und dehnen sich daher bei Erwärmung aus. Es gibt jedoch einige Materialien, die einen negativen Ausdehnungskoeffizienten haben und sich bei steigender Temperatur zusammenziehen, was als anomale oder negative thermische Ausdehnung bekannt ist.
Die Kenntnis der verschiedenen Arten der thermischen Ausdehnung ist von großer Bedeutung für das Design und die Auswahl von Materialien in verschiedenen Anwendungen, um mögliche Probleme aufgrund von Temperaturänderungen zu berücksichtigen und zu minimieren.
Rechenbeispiel zum Ausdehnungskoeffizient Aluminium
Eine Aluminiumblock hat ein Ausgangsvolumen V0 von 0.25 m x 0.25 m x 1 m. Der Ausdehnungskoeffizient αL beträgt 23.1 x 10-6 K-1. Die Temperatur wird um 30 K erhöht.
Faktoren, die die thermische Ausdehnung beeinflussen
Die Materialzusammensetzung eines Materials ist ein entscheidender Faktor, der den Ausdehnungskoeffizienten beeinflusst. Die Materialzusammensetzung bestimmt, wie sich die Atome oder Moleküle im Material bei Temperaturänderungen bewegen und miteinander wechselwirken, was letztendlich die thermische Ausdehnungseigenschaften des Materials bestimmt.
- Homogene Materialien: Materialien, die aus einem einzigen Element oder einer Verbindung bestehen, haben in der Regel einen gut definierten und konstanten Ausdehnungskoeffizienten über einen bestimmten Temperaturbereich.
- Verbundwerkstoffe: Materialien, die aus verschiedenen Phasen oder Komponenten bestehen, können komplexere thermische Ausdehnungseigenschaften aufweisen. Die unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten der Komponenten können zu inneren Spannungen führen, insbesondere wenn die Phasen sich bei unterschiedlichen Temperaturen ausdehnen.
Einfluss von mechanischer Beanspruchung
Der Einfluss von mechanischer Beanspruchung auf die thermische Ausdehnung eines Materials ist ein wichtiger Aspekt, der bei der Analyse und dem Design von Strukturen und Bauteilen berücksichtigt werden muss. Mechanische Beanspruchung bezieht sich auf die Anwendung von äußeren Kräften auf ein Material, die Verformung oder Spannungen in ihm hervorrufen. Dies kann zu einer Veränderung der thermischen Ausdehnungseigenschaften des Materials führen.
- Elastische Materialien zeigen eine reversible Deformation, wenn sie mechanischen Belastungen ausgesetzt sind. Das bedeutet, dass sie nach Entfernen der Last wieder in ihre ursprüngliche Form zurückkehren, wie zum Beispiel Gummibänder oder Dichtungen.
- Plastische Materialien hingegen zeigen irreversible Verformungen unter mechanischer Belastung, die nicht vollständig zurückkehren, wenn die Belastung entfernt wird, wie zum Beispiel bei dem Verbiegen eines Metalldrahtes oder des Pressen eines Metallstücks.
Mechanische Beanspruchung kann zu inneren Spannungen im Material führen, die sich auf die thermische Ausdehnung auswirken können. Wenn das Material einer mechanischen Spannung ausgesetzt ist, können sich die Atome in bestimmten Bereichen des Materials verschieben oder neu anordnen, was zu lokalen Unterschieden in den Ausdehnungseigenschaften führen kann. Diese inneren Spannungen können zu ungleichmäßiger Ausdehnung des Materials bei Temperaturänderungen führen.
Messmethoden zur Bestimmung des Ausdehnungskoeffizienten
Dilatometrie ist eine häufig verwendete Methode zur Messung der thermischen Ausdehnung von Materialien. Dabei wird eine Probe des zu prüfenden Materials in einen Dilatometer Aufbau eingesetzt, welcher mit einer Heiz- und Kühlvorrichtung ausgestattet ist. Die Probe wird einer definierten Temperaturänderung ausgesetzt, während die Längenänderung des Materials präzise gemessen wird. Durch die Messung der Längenänderung und die Kenntnis der Temperaturänderung kann der lineare Ausdehnungskoeffizient berechnet werden.
Interferometrie ist eine optische Methode, die auf dem Interferenzmuster von Lichtwellen basiert. Bei dieser Methode wird eine Probe mit einem Interferometer beleuchtet, und das Interferenzmuster wird beobachtet, während die Temperatur der Probe variiert wird. Die Änderung des Interferenzmusters wird mit der Änderung der Länge der Probe in Beziehung gesetzt, um den linearen Ausdehnungskoeffizienten zu bestimmen. Interferometrie ermöglicht präzise Messungen in einem breiten Temperaturbereich.