7 Schritte zur Auswahl einer Lenkrolle

Lenkrollen gewährleisten die Mobilität von Objekten aller Art. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau müssen Gegenstände häufig über eine große Strecke hinweg transportiert werden. Dank Lenkrollen gelingt das einfach und effizient. Dieser Artikel stellt wichtige Auswahlkriterien für Lenkrollen vor.

Was ist eine Lenkrolle?

Lenkrollen sind vielseitige Bauteile mit einer breiten Palette an Einsatzmöglichkeiten. Sie werden in der Regel direkt an Geräten oder Maschinen montiert, um deren Mobilität zu gewährleisten. Je nach Modell lassen sich Lenkrollen in einem begrenzten Schwenkbereich oder um 360° drehen, was eine flexible Bewegung in alle Richtungen möglich macht. Lenkrollen gibt es in verschiedenen Materialien, die je nach Anforderungen an Belastbarkeit und Bodenbeschaffenheit gewählt werden. Polyurethan bietet beispielsweise hohe Tragfähigkeit und Abriebfestigkeit, während Gummi für gute Dämpfung und leise Bewegung sorgt.

Neben einfachen Lenkrollen gibt es spezielle Varianten wie z.B.:

  • Doppellenkrollen für höhere Stabilität
  • Bockrollen für geradlinige Bewegungen
  • Schwerlastrollen für besonders hohe Lasten
  • Lenkrollen mit Bremse zur Verhinderung unbeabsichtigter Bewegungen
  • Lenkrolle mit Anschlag, um den Schwenkbereich zu begrenzen
  • Hebe-Lenkrollen mit Feststellfuß, um die Lenkrolle beim Abstellen des Geräts anzuheben

Wie soll man bei dieser Vielfalt die richtige Lenkrolle auswählen? Die nachfolgenden Schritte liefern eine Hilfestellung.

Vorbereitung - Ermitteln der Tragfähigkeit

Die Tragfähigkeit der Lenkrolle entscheidet darüber, ob sie für den vorgesehenen Einsatz geeignet ist oder ob z.B. mehrere Rollen benötigt werden, um die Last tragen zu können. Die Bestimmung dieser Größe ist daher die wichtigste Voraussetzung bei der Auswahl einer Lenkrolle. Die Tragfähigkeit T einer Lenkrolle errechnet sich aus folgenden Parametern:

  • E = Eigengewicht des Transportgerätes
  • Z = Maximale Zuladung
  • n = Anzahl der tragenden Rollen
  • S = Sicherheitsfaktor

Zur Berechnung kann folgende Formel angewendet werden:

T = \frac{E+Z}{n} \times S

Der Sicherheitsfaktor berücksichtigt jene Einsatzbedingungen, die vom Standard abweichen. Bei der Berechnung wird das Verhältnis aus Durchmesser der Lenkrolle zur Hindernishöhe sowie die Geschwindigkeit betrachtet. Unterschieden wird dabei zwischen manuell betrieben und extern angetrieben. Folgende Sicherheitsfaktoren gelten:

  • 1.0 bis 1.5: Manueller Betrieb im Innenbereich, Hindernishöhe kleiner als 5% des Raddurchmessers
  • 1.5 bis 2.2: Manueller Betrieb im Außenbereich, Hindernishöhe größer als 5% des Raddurchmessers
  • 1.4 bis 2.0: Motorbetrieben im Innenbereich, Hindernishöhe kleiner als 5% des Raddurchmessers
  • 1.4 bis 2.0: Motorbetrieben im Außenbereich, Hindernishöhe größer als 5% des Raddurchmessers

Schritt 1 - Lenkrolle nach Tragfähigkeit auswählen

Die erforderliche Tragfähigkeit T hat einen direkten Einfluss auf die Auswahl der möglichen Lenkrollen. Für Lasten bis zu 100 kg sind in der Regel Leichtlast-Lenkrollen ausreichend. Bei schwereren Anwendungen, insbesondere ab 500 kg, empfiehlt sich der Einsatz von Schwerlast-Lenkrollen. Diese Lenkrollen gibt es auch bei MISUMI im Onlineshop. Je nach Anwendung und geforderter Tragfähigkeit sollte auch die Lenkrollen-Lagerung genauer betrachtet werden. Für den Einsatz der Laufrolle bei Schwerlasten z.B. sind hochwertig Lager, die eine gleichmäßige Bewegung garantieren, unabdingbar. Gleitlager und Rollenlager sind dafür z.B. ideal geeignet. Lenkrollen mit Kugellager wiederum eignen sich für Anwendungen mit höherer Geschwindigkeit und Leichtgängigkeit.

Schritt 2 - Rollendurchmesser bestimmen

Der Durchmesser der Lenkrolle bestimmt ihre Wendigkeit und Navigierbarkeit. Im Zuge der Bestimmung des Rollendurchmessers sollten folgende Vorüberlegungen gemacht werden: Wird die Lenkrolle im Innen- oder Außenbereich eingesetzt? Welchen Geschwindigkeiten ist sie ausgesetzt ist und wie ist der Boden beschaffen? Rollen mit kleinerem Rollendurchmesser eignen sich z.B. für glatte und harte Untergründe sowie den Einsatz im Innenbereich bei geringeren Bewegungsgeschwindigkeiten. Sie sind generell wendiger und reduzieren die Gesamthöhe des Transportguts, was in platzsparenden Anwendungen ein wichtiges Entscheidungskriterium sein kann. Rollen mit größerem Durchmesser können leichter Hindernisse überwinden, insbesondere auf unebenen oder rauen Oberflächen. Der Rollwiderstand ist generell geringer. Diese Rollen eignen sich daher für schwere Lasten oder beim Einsatz im Außenbereich. Auch bei höheren Geschwindigkeiten sind sie meist eine gute Wahl.

Schritt 3 - Bauform und Ausführung wählen

Die Rollenart und Befestigungsart richtet sich danach, für welchen Zweck die Lenkrolle gedacht ist und wie der Einsatzort beschaffen ist. Folgende Fragen geben einen Anhaltspunkt für eine erste Einordnung:

  • Steht die Bewegung im Vordergrund oder soll nur gelegentlich bewegt werden? Leichtgängige Lenkrollen eignen sich für viel Bewegung, Bockrollen oder Rollen mit Bremsvorrichtung für gelegentliche Bewegung.
  • Wie sind die Bedingungen im Stand? Sind Ausnivellierung und Ausrichtung notwendig oder muss ggf. nur gegen unbeabsichtigtes Wegrollen gesichert werden? Es gibt z.B. Rollen mit Nivellierfuß für unebene Standbedingungen.
  • Wie kann die Bremse betätigt werden? Wie viel Platz steht zur Verfügung? Komme ich ggf. nur seitlich an die Bremse oder von einer Seite? Es gibt verschiedene Arten von Lenkrollen mit integrierter Fußbremse,
  • Wie ist der Weg beschaffen? Gibt es viele Kurven? Ist der Weg geneigt und müssen viele Hindernisse wie Schwellen, Absätze, Rillen oder Gitter überwunden werden? Große Laufflächen eignen sich z.B. für Schwellen oder Neigungen, für unebene Oberflächen gibt es stoßdämpfende Ausführungen.
Rolle mit Gerätefuß
Rolle mit Gerätefuß

Lenkrollen sind schwenkbar und gut manövrierbar. Bei Bockrollen ist die Laufrichtung fixiert und sie eignen sich daher vorrangig für Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen. Sie haben eine stabilere Führung, da sie nicht ausbrechen. Die Kombination von Laufrolle und Bockrolle bietet eine gute Manövrierbarkeit in eine Richtung bei gleichzeitig guter Führung durch die Bockrollen auf der anderen Seite.

Beispielabbildung - Bockrollen und Lenkrollen
Beispielabbildung - Bockrollen und Lenkrollen
  • 1 = Bockrolle
  • 2 = Lenkrolle
  • 3 = Lenkrolle mit axial wirkender Bremse
  • 4 = Lenkrolle radial wirkende Bremse

Schritt 4 - Rollenmaterial bestimmen

Das verwendete Material für die Lenkrolle wirkt sich auf den Bedienkomfort, die Leichtgängigkeit sowie Widerstände beim Fahren und Lenken aus. Als Faustregel gilt: Die Rollen sollten weicher sein als der Boden, da sonst Schäden am Boden entstehen können. Materialien für Lenkrollen können sein:

  • Gummi
  • PU (Polyurethan)
  • Kunststoffe
Bockrollen in verschiedenen Materialien bei MISUMI
Bockrollen in verschiedenen Materialien bei MISUMI

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Eigenschaften verschiedener Rollenmaterialien:

Rädereigenschaften nach Werkstoff
Artikel Kautschuk Polyurethankautschuk TPE Nylon (Weiß) MC Nylon Polypropylen Phenol Verstärkter Spezialkunststoff elektrisch leitfähiger Gummi elektrisch leitfähiges MC Nylon Guss
Abriebfestigkeit ++ ++ + + ++ 0 + 0 ++ ++ ++
Ölbeständigkeit 0 + 0 ++ ++ ++ ++ + 0 ++ ++
Wasserbeständigkeit ++ + ++ ++ ++ ++ + + ++ ++ +
Kosten ++ + + ++ 0 ++ 0 + + 0 +
Geräuschbelastung ++ + + -- 0 -- 0 0 ++ 0 --
Zulässige Last 0 ++ 0 0 ++ 0 ++ ++ 0 ++ ++
Fahrwiderstand 0 + + + ++ + ++ + 0 ++ +
Gummihärte Shore A 70±5 90±5 90±5   ###* ###* ###* ###* 75±5 ###* ###*
Betriebstemperatur -5...60℃ -20...80℃ -10...100℃ -10...120℃ -20...120℃ 0...100℃ -40...180℃ -20...80℃ -5...60℃ -20...120℃ -40...200℃
Eigenschaften Häufigstes Radmaterial. Preisgünstig, aber nicht ölbeständig und die schwarzen Kautschukräder können Streifen auf dem Boden hinterlassen. Härter als Gummi, mit guten Anfahreigenschaften. Gute Ölbeständigkeit und ohne Verschmutzung auf Bodenoberflächen. Besitzt Eigenschaften, die zwischen Kautschuk und Kunststoff liegen. Geringes Laufgeräusch. Sanftes Gleiten mit großer Härte und ohne Durchbiegung. Die Nachteile sind Kratzer auf dem Boden und Laufgeräusche. Gute Ölbeständigkeit, wie Nylon, und hohe mechanische Festigkeit. Ausgezeichnete Öl- und Wärmebeständigkeit und guter Lastwiderstand. Geringer Startwiderstand. Ausgezeichnete Öl- und Wärmebeständigkeit und guter Lastwiderstand. Geringer Startwiderstand.Gummimischung mit einem höheren Gasrußgehalt fungiert als Erdung. Ausgezeichnete mechanische Festigkeit und für schwere Lasten geeignet. Relativ kostengünstig. SBR Gummimischung mit einem höheren Gasrußgehalt fungiert als Erdung. Imprägnierung mit antistatischem Fett. Ideal in Reinraum- Umgebungen. Wird oft aufgrund seiner hohen Temperaturbeständigkeit und Stoßfestigkeit bei hohen Temperaturen eingesetzt. Nachteilig ist die umständliche Handhabung, weil es rosten kann und schwer ist.
Disadvantage is that handling is troublesome because it is subject to rust and weight itself is heavy.
Zeichenerklärung: (++ = Sehr gut, + = Gut, 0 = Akzeptabel, -- = Nicht akzeptabel, ###* = keine Angabe)

Schritt 5 - Radlager bestimmen

Das Radlager beeinflusst die Rolleigenschaften und ist wichtig für allgemeine Mobilität. Es muss den Anforderungen an Tragfähigkeit, Betriebsdauer, Umwelteinflüsse, Anfahr- und Rollwiderstände genügen. Nachfolgend werden verschiedene Radlager vorgestellt und ihre Vorteile und Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt:

Gleitlager

Gleitlager sind kostengünstig, einfach, langlebig und können korrosionsbeständig sein. Sie werden vorrangig bei leichten Lasten, niedrige Geschwindigkeiten und mittelmäßiger Benutzungshäufigkeit verwendet.

Rollenlager

Rollenlager haben ein geringes radiales Lagerspiel, was für eine gleichmäßige und stabile Bewegung sorgt. Ihre hohe Tragfähigkeit kommt Anwendungen im Schwerlastbereich zugute. Rollenlager bestehen häufig aus Stahl, weshalb eine regelmäßige Wartung unabdingbar ist, da sie anfälliger für Schmutz und Staub sind.

Kugellager

Kugellager zeichnen sich durch ein sehr präzises, leichtes Laufverhalten aus. Sie werden für geringe Lasten oft als Kunststoffausführung verwendet.

Schritt 6 - Äußere Einflüsse beachten

Es gibt verschiedene äußere Einflüsse, welche Funktion und Lebensdauer von Rollen beeinflussen. Das können zum einen die Bodenbeschaffenheit und der Bodenbelag sein, die sich auf den Roll-, Schwenk- und Anfahrwiderstand auswirken. Der Anfahrwiderstand ist der Widerstand, der überwunden werden muss, um den Rollvorgang anzustoßen. Der Rollwiderstand ist der Widerstand während der Fahrt bei konstanter Geschwindigkeit. Er entsteht durch Hysterese (ist der Energieverlust, der automatisch durch interne Reibung des Materials entsteht, wenn ein Reifen in seiner Spur rollt). Der Schwenkwiderstand muss beim Lenken überwunden werden.

Zum anderen können das aber auch Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit oder Zugänglichkeit zu aggressiven Chemikalien sein. Diese müssen bei der Auswahl berücksichtigt werden.

Die chemische Beständigkeit wird beispielsweise relevant, wenn unmittelbarer Kontakt zu aggressiven Chemikalien wahrscheinlich ist. Dabei ist jedoch nicht nur die Chemikalie selbst, sondern auch die Dauer des Kontakts, die Konzentrationsmenge und andere beeinflussende Umgebungsbedingungen zu betrachten. Säuren z.B. können zu Korrosion und Lochfraß an Metallteilen von Lenkrollen führen. Die Struktur wird abgeschwächt. Auch Laugen wirken ähnlich auf Metallteile, jedoch oft in großflächigem Ausmaß. Bei Kunststoffen führen sie dazu, dass das Material langsam chemisch zersetzt wird, wodurch Risse entstehen können. Lösungsmittel können Kunststoffrollen zum Aufquellen bringen, das Material löst sich auf.

Zu hohe Feuchtigkeit kann bei Metall ebenfalls zu korrosionsbedingten Abnutzungserscheinungen führen. Auch bei Gummi kann es durch langen Kontakt mit Feuchtigkeit zu Hydrolyse kommen: Das Material wird spröde und rissig und verliert die Elastizität. Um das zu vermeiden, gibt es aber z.B. auch hydrolysestabilisierte Kunststoffe.

Schritt 7 - Zusätzliche Eigenschaften

Mitunter werden Lenkrollen in Umgebungen eingesetzt, an die ganze spezifische Anforderungen gestellt werden. Im Reinraum z.B. herrschen strenge Hygieneanforderungen. Je nach Reinraumklasse dürfen sich nahezu keine Partikel in der Luft ansammeln, da diese zu Verunreinigungen am Produkt führen können. Es ist nicht möglich, hier z.B. Rollen aus einem Material mit hohem Abrieb einzusetzen. Rollen für den Reinraum bestehen daher oft aus antistatischem Material mit glatter Oberfläche, sodass sich kein Schmutz ansammeln kann. Gleichzeitig sind sie abriebfest und leicht zu reinigen.

Die elektrische Leitfähigkeit der Lenkrolle kann im Elektronik- und Explosionsschutz- bzw. ATEX-Bereich relevant werden. Zum einen ist wichtig, dass das Rollenmaterial nicht anfällig für elektrostatische Aufladung ist, zum anderen muss das Material in der Lage sein, statische Aufladung / Elektrizität ideal abzuleiten. Elektrostatische Aufladung stellt in einer ATEX-Umgebung eine ernsthafte Zündgefahr dar.

Sollen Rollen in derlei besonderen Kontexten eingesetzt werden, sind ggf. auch weitere Normen zu beachten, wie die ISO 14644-1 für Reinräume oder die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU.