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Kugelgewindetriebe - Genauigkeit durch Vorspannung
Kugelgewindetriebe verwandeln Drehbewegungen in präzise Linearbewegungen oder umgekehrt. Sie werden oft als Antriebselement verwendet. Beim Einsatz von Kugelgewindetrieben ist Positioniergenauigkeit von entscheidender Bedeutung. Eine Möglichkeit, die Positioniergenauigkeit eines Kugelgewindetriebs zu erhöhen, ist es, mit einer Vorspannung das Spiel zwischen Spindel und Mutter zu reduzieren. Da durch diese Vorspannung aber auch die Leichtgängigkeit des Systems verändert wird, gibt es Kugelgewindetriebe mit einstellbarer Vorspannung. Das System kann so weit vorgespannt werden, dass das zulässige Axialspiel zwischen Kugelmutter und Gewindespindel erreicht wird, ohne die Leichtgängigkeit zu stark einzuschränken. Durch die Vorspannung kann eine Positionsgenauigkeit innerhalb weniger Mikrometer erreicht werden. Wie das funktioniert und welche Genauigkeitsklassen es gibt, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was ist ein Kugelgewindetrieb?
Ein Kugelgewindetrieb, auch Kugelumlaufspindel genannt, setzt Drehbewegung in Linearbewegungen um. Im einfachsten Aufbau besteht ein Kugelgewindetrieb aus einer Spindel und einer Mutter. Zwischen beiden rollen Kugeln in einer Umlaufbahn, um Reibung zu reduzieren. Komplexere Systeme bestehen z.B. aus einem Doppelmuttersystem oder haben Schutzvorrichtungen verbaut. Kugelgewindetriebe sind hochpräzise und in der Lage, hohe Kräfte bei geringem Reibungsverlust zu übertragen, weshalb sie sich hervorragend zur Bewegungssteuerung in industriellen Anwendungen und Maschinen, wie CNC-Maschinen oder Robotern eignen. Mit ihrer Hilfe lassen sich z.B. Werkstückträger genauestens positionieren. Dabei ist die richtige Schmierung für den Betrieb von Kugelgewindetrieben unerlässlich (weitere Informationen in Schmierung von Kugelgewindetrieben).
Weitere detaillierte Informationen zu Funktion, Aufbau und Präzisionsklassen von Kugelgewindetrieben finden Sie in unserem Artikel Kugelgewindetriebe: Funktion, Aufbau, Arten, Präzisionsklassen.
Was ist Vorspannung?
Unter Vorspannung versteht man die gezielte Einleitung einer Kraft in ein System oder Bauteil, ehe dieses einer externen Belastung ausgesetzt wird. Sie gewährleistet Stabilität und Funktionssicherheit. Aufbringen kann man Vorspannung z.B. auf Schraubenverbindungen, Federn, Spindellager, aber auch Kugelgewindetriebe.
Kugelumlaufspindeln neigen zu einer gewissen Nachgiebigkeit und einem Axialspiel im Antriebsstrang. Unter Axialspiel versteht man den ungenutzten Bewegungsbereich oder Totgang einer Spindel, der durch den Spalt zwischen den Kugeln des Lagers sowie dem Gewinde der Spindel und den Laufbahnen in der Gewindemutter entsteht.
Durch das Axialspiel verschiebt sich der Kugelgewindetrieb zwischen den Positionen (+) und (-). Bei Vorschub in eine Richtung führt das noch nicht zu einer Ungenauigkeit der Position, da die Kugeln an eine Seite der Gewindeflanke gedrückt werden. Sobald es jedoch zu einem Richtungswechsel bzw. einer Umkehrung der Axiallast kommt, ist die absolute Positioniergenauigkeit nicht mehr gegeben.
- Fr = Radiale Krafteinwirkung
- M = Biegemoment z.B. durch verkanteten Einbau
Um diesen ungewünschten Effekt zu minimieren, wird eine Vorspannung eingebracht. Die Berücksichtigung von Maßtoleranzen ist bei der Einstellung der Vorspannung essenziell. Lager- oder Gewindetoleranzen werden so eingestellt, dass kein Spiel mehr vorhanden ist, wodurch die Positioniergenauigkeit und Steifigkeit des Systems optimiert werden. Üblicherweise wird diese zwischen der Spindel und der Doppelmutter eingebracht, z.B. durch den Einsatz von zwei Muttern, die gegeneinander verspannt werden. Die Federspannung zwischen den Muttern lässt sich in der Regel über einen Gewindering anpassen.
Der Vorspannungsbegriff wird auch in Normen definiert. Die JIS 1192 definiert Vorspannung z.B. als die Kraft, die intern auf Kugelgewindetriebe ausgeübt wird, indem eine Gruppe von axial gegeneinander versetzten Stahlkugeln oder ein Mutternpaar verwendet wird, um das Spiel zu verringern und die Steifigkeit des Kugelgewindetriebs zu erhöhen. Eine zu hoch aufgebrachte Vorspannung kann aber z.B. auch die Lebensdauer des Kugelgewindetriebes beeinflussen. Die Höhe der Vorspannung muss daher gut abgewogen werden.
Arten der Vorspannung
Ganz allgemein gibt es zwei Arten der Vorspannung: radial und axial. Radiale Vorspannung ist eine Kraft, die senkrecht zur Drehachse z.B. auf Lagerringe in einem Wälzlager, aufgebracht wird. Sie stellt den gleichmäßigen Kontakt zwischen Wälzlager und Laufbahn sicher. Die axiale Vorspannung wird entlang der Lager- oder Spindelachse aufgebracht und verhindert Spiel in Längsrichtung. Beim Kugelgewindetrieb wird die axiale Vorspannung verwendet.
Bedeutung der Vorspannkraft
Das Verwenden einer Vorspannung hat folgende Vorteile:
- Die Steifigkeit verbessert sich, was wiederum die Tragfähigkeit und Wiederholbarkeit optimiert.
- Die Lebensdauer erhöht sich. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Vorspannung nicht zu hoch ist, da sie sich sonst auch negativ auswirken kann.
- Vibrationen und Geräusche werden minimiert, was umter anderem für Anwendungen relevant ist, die ruhige Bewegungen erfordern.
- Das Spiel wird minimiert, was zu einer präziseren Bewegungssteuerung und Positionierung führt. Wichtig ist das unter anderem bei CNC-Maschinen oder in der Robotik.
Bei der Berechnung der notwendigen Vorspannkraft müssen auch die geforderten Toleranzklassen der zu fertigenden Bauteile berücksichtigt werden (siehe Toleranzklassen nach ISO 22081 und DIN ISO 2768).
Vorspannkraft berechnen
Die Vorspannkraft der Mutter stellt immer auch eine konstante Belastung auf den Kugelgewindetrieb dar. Es ist daher wichtig eine Vorspannkraft zu finden, die gleichzeitig den Kugelgewindetrieb nicht zu sehr belastet, aber dennoch ihren Zweck erfüllt. Dazu kann v.a. die zu erwartende Betriebslast betrachtet werden. Die Vorspannkraft lässt sich z.B. aus der dynamischen Tragzahl berechnen. Diese gibt an, welchen Belastungen der Kugelgewindetrieb aushält, um eine Lebensdauer von 1 Mio. Umdrehungen zu haben. Sie wird vom Hersteller angegeben. Tragzahlen sind z.B. normiert in ISO 281. Für Kugelgewindemuttern mit 4-Punkt-Kontakt sind bei der Vorspannung 5-8% der dynamischen Tragzahl sinnvoll, bei 2-Punkt-Kontakt 8-10%. Bei Ermittlung nach ANSI-Norm gelten andere Werte.
Verschiedene Vorspannmethoden
Es gibt verschiedene Methoden zur Einstellung der Vorspannung, wie z.B. Kugelgewindemuttern mit einstellbarer Vorspannung. Bei dieser Variante wird zwischen zwei Muttern eine Feder montiert, welche die Muttern jeweils gegen die linke und rechte Seite der Spindellaufbahn drückt. Die Vorspannung lässt sich über einen Gewindering weiter anpassen. Vorspannung kann auch automatisch durch den Einsatz hydraulischer Systeme erreicht werden. Nachfolgend werden verschiedene Methoden im Detail vorgestellt:
Federvorgespannte Doppelmutter
Die Wahl der richtigen Federspannung ist entscheidend für die optimale Vorspannung (siehe Auswahl von Zugfedern und Druckfedern). Die federvorgespannte Doppelmutter ist eine gute Option für kleine Kugelgewindetriebe. Die beiden Muttern befinden sich dabei drehsicher in einem Gehäuse, wo sie von einer dazwischen eingespannten Feder auseinandergedrückt werden. Die Feder stellt sicher, dass die Vorspannung immer gleich bleibt, auch im Falle von Verschleiß oder durch Fertigungstoleranzen. Außerdem ist die Vorspannung selbst vergleichsweise klein. Nachteile der federgespannten Doppelmutter sind, dass sie generell aufwändiger und größer ist sowie die Ausrichtung schwerer ist. Außerdem lassen sich die Kräfte nicht mehr in alle Richtungen übertragen: Liegen Kräfte über der Vorspannkraft, kann ggf. die Feder nachgeben.
Kugeln mit definiertem Übermaß montieren
Werden im Kugelgewindetrieb einzelne Standardmuttern verwendet, können Kugeln mit definiertem Übermaß montiert werden. Dabei entsteht ein sog. Vierpunktkontakt zwischen vier Punkten der Kugel und der Mutter. Das führt zu einem starken Anstieg der Reibung.
- (1) Spindel (im Schnitt)
- (2) Mutter (im Schnitt)
Aufgrund der starken Reibung sollte diese Methode bei leichter Vorspannung oder Spielfreiheit verwendet werden. Der Wirkungsgrad verschlechtert sich etwas und auch die Reaktion auf Fertigungstoleranzen ist bei dieser Art der Vorspannung höher. Bei besonders langen Spindeln macht es daher keinen Sinn, vorgespannte Einzelmuttern zu verbauen. Vorteile sind: die Wirtschaftlichkeit und kompakte Bauform.
Einzelmutter mit Steigungsversatz montieren
Bei Einzelmuttern kann weiterhin ein Steigungsversatz gewählt werden. Dabei wird eine Mutter mit einer leicht von der Spindel abweichenden Gewindesteigung verbaut. Durch diesen definierten Versatz verschiebt sich die Position der Wälzkörper im Gewindegang der Spindel, es entsteht ein Zweipunktkontakt. Diese Methode eignet sich für eine mittlere Vorspannung.
- (1) Spindel (im Schnitt)
- (2) Mutter (im Schnitt)
Distanzelement bei Doppelmuttern montieren
Eine komplexere Variante der Vorspannung ist der Verbau eines Doppelmuttersystems mit Distanzelement.
- (1) Spindel (im Schnitt)
- (2) Mutter (im Schnitt)
- (3) Distanzelement
Zwei Gewindemuttern werden mittels eines Distanzelements gegeneinander gespannt, wodurch ein Zweipunktkontakt entsteht. Die Reibung steigt dadurch nahezu nicht an. Das Axialspiel wird nahezu vollständig eliminiert, was zur Steifigkeit und Präzision des Kugelgewindetriebs beiträgt. Diese Methode kann für mittlere und hohe Vorspannung in Betracht gezogen werden. Die Distanzelemente erlauben eine einfache Anpassung der Vorspannung, weshalb sie für wechselnde Lasten geeignet sind.