Gleitlager - Gleitflächen in der tribologischen Betrachtung und konstruktive Ansätze

Reibung ist in der Regel eine Verlustgröße in mechanischen Konstruktionen, die von erhöhtem Verschleiß der Bauteile bis hin zu Bauteilversagen führen kann. Sie entsteht häufig durch den Kontakt von sich entgegengesetzt bewegenden Oberflächen. Der Einbau von Gleitlagern ist eine der Möglichkeiten, eine reibungsarme Bewegung zwischen diesen Bauteilen zu ermöglichen. Doch wie funktionieren Gleitlager? Wie wird die Reibung bei Gleitlagern minimiert und welche konstruktiven Ansätze gibt es, um eine optimal reibungsarme Bewegung zu gewährleisten? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Welt der Tribologie (Reibungslehre) und ihre Bedeutung für den Einsatz von Gleitlagern.

Was ist Tribologie und warum macht eine Betrachtung für Gleitlager Sinn?

Tribologie wird auch Reibungslehre genannt und beschäftigt sich, vereinfacht ausgedrückt, mit dem Reibungsverhalten verschiedener Oberflächen zueinander. In der Tribologie wird in drei zentrale Bereiche unterschieden: Reibung, Verschleiß und Schmierung.

Doch was ist Reibung eigentlich?

Unter Reibung versteht man den Bewegungswiderstand zwischen zwei sich berührenden Teilchen oder Oberflächen eines Körpers. Man unterscheidet hierbei grundsätzlich in äußere und innere Reibung. Zur äußeren Reibung zählen die Haftreibung, Gleitreibung und Rollreibung. Die innere Reibung eines Körpers, Gases oder einer Flüssigkeit wird viskose Reibung genannt und bewirkt die Zähigkeit des Materials.

Vor allem die äußere Reibung nimmt Einfluss auf das Verschleißverhalten von Materialien und führt in den meisten Fällen zu einem höheren bzw. schnelleren Verschleiß. Verschleiß ist der fortschreitende Materialverlust durch eine mechanische Ursache. Er entsteht, wenn Körper zu lange oder zu stark reiben. Das kann z.B. passieren, wenn sich zwei ungeschützte Bauteile berühren und gleichzeitig relativ zueinander bewegen. Reibung und Verschleiß sind sog. Verlustgrößen. Der Verschleiß ist meist an einer Änderung der Materialoberfläche erkennbar. An dieser Stelle greift die Schmierung: Schmiermittel agieren als reibungsreduzierendes Trennmittel. Sie schützen die Kontaktoberflächen und minimieren so Reibung und Verschleiß. Gleichzeitig werden Wärme und Verschleißpartikel abtransportiert.

Die Hauptaufgabe von Gleitlagern ist es, eine reibungsarme Bewegung zweier sich gegeneinander bewegenden Oberflächen zu gewährleisten. Dies ermöglichen Gleitlager durch das Material der Gleitlager selbst, die Einlagerung von Schmierstoffen oder durch einen speziellen Aufbau. Durch den Einsatz von Schmierstoffen kann neben der Reduzierung der Reibung auch die Laufruhe und generelle Laufeigenschaft eines Lagers verbessert werden. Eine tribologische Betrachtung ist daher durchaus sinnvoll.

Verschleißarten im Überblick

Es gibt verschiedene Verschleißarten, die auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sind:

  • Adhäsion: eine atomare Bindung zwischen den Körpern entsteht. Ursache: Molekulare Wechselwirkung der verschiedenen Oberflächen.
  • Abrasion: Der Grundkörper wird geritzt oder mikrozerspant. Ursache: Rauheitshügel im Gegenkörper, harte Partikel im Zwischenmedium.
  • Tribochemische Reaktion: Grund- und Gegenkörper reagieren mit Umgebungs- und Schmierstoffpartikeln. Ursache: Oberflächen werden reibungsbedingt chemisch aktiviert. Eine der häufigsten Verschleißschäden.
  • Oberflächenzerrüttung: Es bilden sich Risse, die zunehmend wachsen, bis sich einzelne Partikel lösen. Ursache: Wechselbeanspruchung in Oberflächenbereichen der Körper.
Darstellung der Schmierungszustände Trockenreibung, Mischreibung und Flüssigkeitsreibung
Schmierungszustände bei Reibungseinwirkung: Trockenreibung (A), Mischreibung (B) und Flüssigkeitsreibung (C)

Je nach Schmierungszustand erhöht sich auch der Verschleiß.

Bei der Trockenreibung (A) z.B. kommen zwei Oberflächen ohne Schmiermittel in Kontakt und eine hohe Reibungskraft mit starkem Verschleiß als Folge entsteht. Mischreibung (B) ist, wie der Name bereits andeutet, eine Mischung aus Trockenreibung und Flüssigkeitsreibung. Bei einer Mischreibung gibt es sowohl Kontaktstellen als auch flüssigkeitsgetrennte Abschnitte an den Kontaktflächen. Es folgt eine moderate Reduzierung von Reibung und Verschleiß. Mischreibung entsteht häufig bei unzureichender Schmierung z.B. bei neuen oder abgenutzten Lagern. Als weitere Reibungsart gibt es die Flüssigkeitsreibung (C). Die Kontaktflächen sind durch einen Flüssigkeitsfilm voneinander getrennt und berühren sich nicht. Die Reibung entsteht im Schmiermittel selbst. Wie hoch diese (innere) Reibung ausfällt, ist stark von den Eigenschaften und der chemischen Struktur des Schmiermittels selbst abhängig.

Schmierstoffe

Schmierstoffe werden zur Reduzierung von Reibung eingesetzt und reduzieren gleichzeitig Korrosion. Durch den Aufbau einer Trennschicht aus Schmiermittel soll der direkte Kontakt zweier Reibungspartner verringert oder unterbunden werden. Grundlage des Schmierstoffes bildet in den meisten Fällen ein Basisöl, welches durch zusätzliche Additive an den jeweiligen Verwendungszweck angepasst wird. Schmierstoffe gibt es in fester, flüssiger oder gasförmiger Ausführung mit verschiedener Viskosität.

Öle

Öle bestehen aus einem Grundöl, z.B. Mineralöl, Ester oder Polyglykol und mehreren Additiven. Sie leiten Wärme gut ab und können bei hohen Temperaturen und Drehzahlen z.B. in Gleitlagern und Ketten eingesetzt werden. Mit den zugesetzten Additiven lassen sich die Öleigenschaften gezielt anpassen, z.B. zur Reduzierung von Verschleiß oder Korrosion. Öle können auch zur Reinigung verwendet werden, da sie Schmutzpartikel aufnehmen.

Fette

Fette bestehen aus einem Grundöl und einem Verdicker (auch: Seife genannt). Der Verdicker bestimmt die Leistungsmerkmale. Fette bleiben direkt an der Schmierstelle und wirken dauerhaft gegen Reibung. Sie bieten Schutz gegen eindringende Feuchtigkeit und Schmutz.

Feste Schmierstoffe

Feste Schmierstoffe, z.B. Graphit oder Molybdänsulfid, werden in fester Form verwendet. Sie erzeugen sehr niedrige Reibung und haben eine hohe Temperaturbeständigkeit. Feste Schmierstoffe kommen z.B. immer dann zum Einsatz, wenn flüssige Schmierstoffe nicht einsetzbar sind, wie z.B. in einer Vakuumumgebung oder bei extremen Temperaturen.

Viskositätsklassen

Viskosität definiert die Zähflüssigkeit sowohl von Flüssigkeiten als auch von Gasen (gesamt auch Fluide genannt) bzw. die innere Reibung von flüssigen Stoffen. Die Zähflüssigkeit ist das Ergebnis der Anziehungskraft der Teilchen des Fluids, die aufgrund der inneren Reibung von Flüssigkeiten entsteht. Viskosität wirkt sich also direkt auf die Reibung aus. Motoröle, Getriebeöle und industrielle Schmierstoffe haben spezifische Viskositätsklassen, sie werden z.B. nach SAE (Society of Automotive Engineers) oder ISO klassifiziert.

Die Viskosität ist aber auch von der Temperatur des Schmierstoffs abhängig. Die unterschiedliche Viskosität wird darum häufig für zwei Zustände angegeben. Für Motorenöle wie z.B. SAE 5W-30 oder SAE 15W-40 gibt die erste Zahl die Fließfähigkeit bei kalten Temperaturen, und die zweite Zahl die Viskosität bei Betriebstemperatur. D.h. je kleiner die Zahl, desto dünnflüssiger ist das Öl.

Ganz allgemein gibt es folgende Viskositäten:

  • Niedrige Viskosität: Hochflüssige Stoffe wie z.B. Wasser oder Benzin, die leicht und schnell ohne Widerstand fließen. Einsatz für niedrige Druckbelastung und hohe Gleitgeschwindigkeiten.
  • Mittlere Viskosität: Zähflüssige Stoffe, wie z.B. Rapsöl oder Molasse, die langsamer und mit merklichem Widerstand fließen.
  • Hohe Viskosität: Pastöse Stoffe, wie z.B. Klebstoffe, die sehr dick sind und dadurch schwer und langsam mit hohem Widerstand fließen. Häufig zeigen sie plastische Eigenschaften. Einsatz für hohe Druckbelastung und niedrige Gleitgeschwindigkeiten.

Gleitlager-Grundlagen

Gleitlager sind robust und zuverlässig. Spezielle Gleitflächen ermöglichen eine reibungsreduzierte Bewegung des gelagerten Bauteils. Im Gegensatz zum Wälzlager gleitet in einem Gleitlager das gelagerte Bauteil auf einer Lagerfläche. Die aufzunehmenden Kräfte werden nicht wie beim Kugellager auf einzelne Punkte, sondern auf einer größeren Fläche verteilt. So können höhere Kräfte aufgenommen werden. Auch zeichnen sich Gleitlager durch einen einfachen, platzsparenden Aufbau und geräuschs- und schwingungsdämpfende Eigenschaften aus. Gleitlager lassen sich in unterschiedlichen Formen realisieren, z.B. als Buchsen, Platten oder Leisten. Während der Gleitbewegung kommt es zu Gleitreibung, welche gegen die anschiebende Kraft arbeitet. Es lohnt daher, Gleitlager mit einem reibungsreduzierenden Zwischenmedium zu schmieren.

Das kann z.B. Folgendes sein:

  • Gas (trennt die Oberflächen bei extrem niedrigen Temperaturen)
  • Öl (z. Bsp. für hydrodynamische Gleitlager)
  • feste Schmierstoffe (z.B. bei hohen Temperaturen oder Fliehkräften)
  • Magnetfelder (z.B. im Reinraum).

Gleitlager-Auswahl

Gleitlager gibt es in verschiedenen Ausführungen. Bei MISUMI gibt es z.B. wartungsfreie Gleitlager, bei denen die Buchsen direkt mit Schmierstoff getränkt bzw. mit schmierstoffgetränkten Einlagerungen ausgestattet werden oder Führungsbuchsen mit Schmierung. Dadurch ist keine oder nur seltene Nachschmierung erforderlich. Wartungsfreie Gleitlager empfehlen sich bei hohen Lasten und anspruchsvollen Bedingungen. Es gibt verschiedene Materialausführungen: Sinterbronze, Guss, Kupferlegierung, Kunststoff sowie verschiedene Verbundschichtaufbauvarianten.

Gängige Formen sind:

  • Gerade: lassen sich einfach montieren, wenn keine zusätzliche Unterstützung nötig ist, z.B. axiale Bewegung der Welle
  • Mit Flansch: Flansch ermöglicht Stabilität und einfache Montage
  • Pressausführungen (Standard, Schraubbohrung) für feste Verbindungen zwischen Lager und Gehäuse, bessere Lastverteilung
  • Unterlegscheiben schützen Lageroberflächen, verteilen den Druck gleichmäßig
  • Gleitplatten: Bieten große Kontaktfläche zur besseren Druckverteilung und Reibungsverringerung

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen:

Gleitlagerausführung nach Form
Gleitlagerausführung gerade mit Flansch Pressausführung Standard Pressausführung Kopfsenkung/Schraubenbohrung Anlaufscheibe Gleitplatte Gleitleiste
Beispielabbildung

Einfache Gleitlager lassen sich, wie hier im Beispiel, in einem Klemmarm einsetzen:

Gleitlagereinsatz im Klemmarm
Gleitlagereinsatz im Klemmarm

Nähere Informationen zur Gleitlager-Auswahl finden Sie in unserem Artikel Gleitlager - Kosteneinsparung durch kosteneffiziente Produkte.

Konstruktive Ansätze zur Schmierungsoptimierung

Es gibt verschiedene konstruktive Ansätze, eine effektive Schmierung zu gewährleisten. In staubiger und aggressiver Umgebung empfiehlt es sich z.B., das Gleitlager mit einer Dichtung zu versehen. So werden Funktion und Schmierung aufrechterhalten. Bei der Verwendung von Dichtungen ist eine glatte Oberfläche der Gleitfläche vorteilhaft. Gleichzeitig bedeutet eine glatte Oberfläche aber auch, dass Öle nicht gut anhaften. Die Wahl des Schmiermittels ist entsprechend anzupassen.

Auch Nuten können zur Optimierung der Schmierleistung eingesetzt werden. Schmiernuten entlang der Gleitfläche z.B. können als Reservoir für Schmiermittel dienen und somit die kontinuierliche Versorgung mit Schmiermittel sicherstellen. Auch bei der Verwendung von Feststoffzusätzen empfiehlt sich der Einsatz von Nuten oder Bohrungen in der Auslaufzone, da einige Feststoffe zur Pastenbildung neigen, was die Lebensdauer des Gleitlagers reduziert. Je nach Schmierstoff sollte auch eine entsprechend geeignete Nutenform gewählt und ggf. Schmierbohrungen hinzugefügt werden. Rauten eignen sich z.B. bei Fettschmierung, Kalotten für Flüssigschmierstoffe und Schmieröle und Löcher bzw. Schmierbohrungen für den Einsatz von Schmieröl und Schmierfett.

Führungsbuchse mit Nuten bei MISUMI
Führungsbuchse mit Nuten bei MISUMI

Die Materialauswahl kann ebenfalls eine Rolle spielen, wenn die Schmierung optimiert oder die Gleitreibung auch schon ohne die Zugabe eines Schmiermittels minimiert werden soll. Mechanisch glatte Oberflächen haben z.B. ein gutes Abperlverhalten, durch welches Reibung reduziert wird. Wie bereits erwähnt, haften hier aber Öle nicht gut an. Gesinterte Metalle weisen spezielle Strukturen und Eigenschaften auf, die eine Schmierung erleichtern. Ihre poröse Struktur unterstützt die Schmiermittelaufnahme; ein Speicher für Schmiermittel wird geschaffen. Ein weiterer Ansatz ist der Einsatz einer Oberflächenbehandlung. Gleitschichten aus PTFE, Graphit oder Keramik können die Schmierung von Gleitlagern verbessern. Keramik bietet z.B. zusätzlich eine hohe Temperaturbeständigkeit und PTFE eine gute chemische Beständigkeit, wodurch sich gleichzeitig das Einsatzgebiet der Gleitlager erweitert.