Kugellager - Lastverteilung bei Wälzlagern

In zahlreichen Maschinen werden Kugellager und andere Wälzlager verbaut. Die eingesetzten Lager übertragen die auftretenden radialen oder axialen Kräfte auf das Maschinengehäuse und ermöglichen so den Einsatz diverser beweglicher Bauteile. Bereits im Konstruktionsprozess müssen die auftretenden Kräfte und die daraus im Lager entstehende Belastung ermittelt werden. Die Lastverteilung im Lager und passende Kontaktstellengeometrie ist dabei entscheidend für die zu erwartende Lebensdauer, Funktion und Effizienz des Lagers. In diesem Artikel betrachten wir die Lastbeanspruchung eines Wälzlagers, und wie sich die Kontaktflächengeometrie auf die Lastverteilung im Wälzlager auswirkt.

Wälzlager Grundlagen

Wälzlager sind rotatorische Lager, welche zueinander bewegliche Teile führen und gegenüber den umgebenden Komponenten abstützen. Während dieses Prozesses nehmen sie Kräfte auf und übertragen diese als Verbindungselement zwischen ruhenden und sich bewegenden Komponenten. Ihre Hauptfunktionen sind dabei das Tragen und Führen der relativ zueinander bewegten Komponenten. Dabei treffen nicht unerhebliche Kräfte auf die Oberflächen des Wälzlagers und der Wälzkörper.

Beanspruchung von Wälzlagern im Bauteilkontakt

Die Hauptbelastung von Wälzlagern erfolgt in der Regel senkrecht zur Berührungsebene. Diese Belastung konzentriert sich innerhalb des Wälzlagers auf vergleichsweise kleine Kontaktflächen zwischen Wälzkörper und innerem bzw. äußerem Ring. Die auftretenden Kräfte führen zu einer Flächenpressung, welche unter anderem von der Laufbahn- und Wälzkörperform sowie der Kraftrichtung und Anzahl der gleichzeitig belasteten Wälzkörper abhängt. Die entstehende Flächenpressung beeinflusst sowohl die Lebensdauer und den Verschleiß als auch die maximal zulässige Tragfähigkeit des Lagers. Die Größe der Pressung in den Druckflächen kann für ein besseres Verständnis unter Zuhilfenahme der Hertzschen Gleichungen ermittelt werden.

Die Hertzsche Pressung beschreibt die lokale Druckverteilung, die an der Kontaktfläche zweier gekrümmter Körper unter Belastung entsteht. Mittels der Berechnungen lassen sich Druckfläche, Deformation und Flächenlast bestimmen. Für die ideale Berechnung werden folgende Bedingungen vorausgesetzt: Es handelt sich um ein linear-elastisches Materialverhalten, die Kontaktflächen sind vergleichsweise klein, ein reibungsfreier Kontakt ist vorhanden und der Druck trifft senkrecht auf. In der Praxis sind diese Bedingungen bei Wälzlagern nicht immer exakt erfüllt, die Hertzschen Berechnungen liefern aber dennoch ausreichend genaue Ergebnisse zur Beurteilung der maximalen Flächenpressung. Auf deren Basis lassen sich Wälzlager besser auslegen und es lässt sich auch die maximale Belastung für Kugellager herausfinden.

Visuelle Darstellung unterschiedlicher Lastverteilung auf ein Wälzlager bei senkrechter Lastrichtung
Visuelle Darstellung unterschiedlicher Lastverteilung auf ein Wälzlager bei senkrechter Lastrichtung

Einfluss der Kontaktflächengeometrie auf die Lastverteilung

Die Geometrie der Kontaktfläche verändert sich je nach Laufbahngeometrie und verwendeten Wälzkörperarten. Sie hat direkten Einfluss auf die Lastverteilung. Bei Kugeln bildet sich z.B. ein sogenannter Punktkontakt, bei zylinderförmigen Wälzkörper ein Linienkontakt. Der Punktkontakt führt bei Belastung zu einer Pressung. Sowohl Kugel als auch die Laufbahn deformieren sich elastisch. Durch diese Verformung entsteht eine elliptische Kontaktfläche mit unterschiedlicher Pressungsverteilung. Die Pressung hat im Zentrum der durch die Verformung entstandenen Kontaktfläche das Maximum (maximale Verformung) und nimmt dann nach außen hin ab.

Darstellung der Pressungsverteilung einer rillenförmigen Laufbahn bei einem 2-Punkt-Kontakt
Darstellung der Pressungsverteilung einer rillenförmigen Laufbahn bei einem 2-Punkt-Kontakt
Darstellung des Aufbaus eines einreihigen Rillenkugellagers
Darstellung des Aufbaus eines einreihigen Rillenkugellagers

Der beim Rillenkugellager auftretende Punktkontakt erzeugt eine vergleichsweise hohe Flächenpressung. Bei hoher radialer Belastung empfehlen sich daher eher Zylinderrollenlager oder Tonnenlager. Durch den Linienkontakt zylinderförmiger Wälzkörper verteilt sich der Druck auf eine größere Fläche. Auch bei belasteten Zylinderrollenlagern verformen sich die Wälzkörper und Laufbahnen. Bedingt durch die Form der Wälzkörper, endet hier die Druckbelastung aber abrupt an den Enden der Wälzkörper, sodass an diesen Stellen Druckspitzen entstehen.

Um das abrupte Abreißen der Druckbelastung zu umgehen, werden z.B. Tonnenrollen eingesetzt. Bei symmetrischen Tonnenrollen ist die Mantelfläche über die Zylinderlänge leicht gewölbt, wodurch eine elliptische Druckverteilung geschaffen wird. Bei unsymmetrischen Tonnenlagern verschiebt sich die Druckbelastung minimal in Richtung der größeren Krümmung. Dadurch lassen sich z.B. Schiefstellungen ausgleichen.

Aufbau eines symmetrischen Tonnenlagers
Aufbau eines symmetrischen Tonnenlagers
Aufbau eines Kegelrollenlagers
Aufbau eines Kegelrollenlagers

Weitere Wälzkörperarten mit Linienkontakt sind z.B. die Kegelrolle und der nadelförmige Wälzkörper. Die Lastrichtung bei einer Kegelrolle entspricht dem Kegelwinkel. Es können sowohl axiale als auch radiale Lasten aufgenommen werden. Die Schrägstellung ermöglicht außerdem die Aufnahme besonders hoher, kombinierter Lasten. Bei nadelförmigen Wälzkörpern minimieren sich die Druckspitzen am Ende bereits durch die verlängerte Linienberührung dank der Nadelform.

Hinweise zur Gestaltung von Kugellagern

Die Gestaltung der Lagerung beeinflusst Funktion und Lebensdauer von Kugellagern maßgeblich. Die relative Bewegung eines Lagerrings kann sich dabei negativ auf die Lebensdauer auswirken. Ursache für die Bewegung ist häufig eine falsche Montage: Der Lagerring wird nicht korrekt ausgerichtet oder nur unzureichend befestigt. Beim Einbau ist daher unbedingt darauf zu achten, dass die Wälzlagerbefestigung der Ringe (Innenring und Außenring) und auch die Scheiben auf der Achse oder Gehäusebohrung fachgerecht montiert werden. Während der Belastung dürfen diese nicht verrutschen.

Aber nicht nur ein zu lockerer Einbau, sondern auch ein zu fester Einbau kann negative Folgen haben: Werden Lagerringe zu sehr verspannt oder aufgrund von zu hoher Krafteinwirkung während der Montage verformt, führt das zu einer ungleichmäßigen Lastverteilung. Es können Lastspitzen entstehen, die ein vorzeitiges Versagen des Materials und die Gefahr von Rissen zur Folge haben. Ein verformter Lagerring begründet ggf. neue Angriffsflächen für Reibung und Wärmeentwicklung, was sich ebenfalls negativ auf die Lebensdauer auswirkt.

Neben der Beachtung des korrekten Sitzes sollte vor dem Einbau auch die gewünschte Lastart definiert werden. Bzw. es sollte beurteilt werden, welche Art Last der Ring ausgesetzt sein wird. Die Lastart definiert, wie der Lagerring relativ zur Lastquelle fixiert oder bewegt wird und welcher Lagersitz zu wählen ist. Es gibt folgende Arten:

  • Umfanglast: Eine Umfanglast am Lager tritt auf, wenn der Ring relativ zur Lastrichtung läuft. Der gesamte Ring wird während der Umdrehung einmal beansprucht. Bei losem Sitz kann der Ring wandern, daher sollte ein fester Sitz gewählt werden.
  • Punktlast: Eine Punktlast am Lager tritt auf, wenn der Ring relativ zur Lastrichtung steht. Dabei wird stetig der gleiche Punkt beansprucht. Auch bei losem Sitz wandert der Ring nicht.

Nachfolgende Tabelle zeigt unterschiedliche Belastungsfälle von Radiallagern:

Belastungsfälle von Radiallagern
Belastungsfall Vereinfachtes Schema Beschreibung Passung
Außenring: Punktlast Innenring: umlaufend

Gehäuse und Last: stillstehend
feste Passung: Innenring

lose Passung zulässig: Außenring
Innenring: stillstehend

Außenring: Gehäuse und Last: umlaufend
Innenring: Punktlast
Welle und Last: stillstehend

Außenring umlaufend
feste Passung: Außenring

lose Passung zulässig: Innenring

Welle und Last: umlaufend

Außenring: stillstehend

Beide Lastarten haben unterschiedliche Einsatzgebiete. In den meisten Fällen wird aber die Umfanglast als gleichmäßige Lastverteilungsoption das Ziel sein. Welche Toleranzen generell für Lager und Lagersitze gelten, können Sie in unserem Blog Passungen und Toleranzen für Wellen und Bohrungen nach ISO nachlesen.

Konstruktive Lösungsansätze für Los- und Festlager

Für Wälzlager gibt es zwei gängige Lagerkonfigurationen: Loslager und Festlager. Festlager sind dabei so konstruiert, dass sie sowohl radiale als auch axiale Kräfte aufnehmen. Durch Fixieren der Welle in axialer Richtung wird ein Verschieben verhindert. Geeignete Festlager sind z.B. zweireihige Schrägkugellager. Loslager dienen ausschließlich der Aufnahme radialer Kräfte. Beider Lagerarten sind in der Regel so angeordnet, dass sie diese Belastungen ideal aufnehmen und thermische Längenänderungen der gelagerten Welle oder des Gehäuses kompensieren können. Geeignete Loslager sind z.B. Zylinderrollenlager und Nadellager. Der Rollenkranz kann sich auf der Laufbahn des bordlosen Lagerrings verschieben.

Die beiden folgenden Abbildungen zeigt die unterschiedliche Belastungsverteilung bei Montage eines Rillenkugellagers mit unterschiedlicher Vorspannung (Passung):

Lastverteilung mit Lagerspiel
Lastverteilung mit Lagerspiel
Lastverteilung bei Nulleinstellung - Belastungszone von 180°
Lastverteilung bei Nulleinstellung - Belastungszone von 180°
Lastverteilung bei Vorspannung
Lastverteilung bei Vorspannung

Für eine ideale Abstützung einer Welle sollten mindestens zwei Lager verwendet werden. Solche Mehrfachlagerungen bestehen aus einem Festlager und beliebig vielen Loslagern. Die Loslager einer rotierenden Welle sind dafür ausgelegt, radiale Kräfte aufzunehmen und gleichzeitig axiale Bewegungen zuzulassen. Somit kann die thermische Ausdehnung von Welle und Gehäuse ausgeglichen werden.

Folgende Hinweise gelten bei der Gestaltung der Lagerung und Passung:

  • Wellenausrichtung prüfen: Bei einem Wellenversatz sind ggf. Pendellager möglich (im Ausgleichsbereich des Pendellagers).
  • Optimale Lastverteilung und gleichmäßige Verteilung auf die Rollkörper sicherstellen (die Ringe dürfen in Umfangsrichtung nicht rutschen, Fest- und Loslager berücksichtigen).
  • Rundlauf und Planlauf sicherstellen.

Einflussgrößen auf die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer von Wälzlagern

Neben dem korrekten Einbau beeinflussen auch andere Parameter die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer von Kugellagern und Wälzlagern. Wie bereits erwähnt, hat auch die dynamische Lastverteilung des Lagers einen Einfluss. Nachfolgend schauen wir uns die dynamische Tragzahl für Lager und Kugellager sowie die statische Tragzahl im Detail an. Außerdem zeigen wir, wie Sie die dynamische und statische Tragzahl für Lager berechnen können. Im Anschluss betrachten wir kurz noch beispielhaft die Temperatur als weitere Einflussgrößen.

Einfluss von dynamischer und statischer Tragzahl

Kugellager lassen sich durch die dynamische und die statische Tragzahl beschreiben. Mit der dynamischen Tragzahl C lässt sich die nominelle Lebensdauer eines Lagers unter Einfluss einer Belastung X berechnen. Maßstab ist nach ISO 281, dass das Lager für mindestens 1 Million Umdrehungen im Einsatz ist. Die statische Tragzahl C0 wiederum gibt die maximale Last an, die auf das Lager im Ruhezustand ohne bleibende Verformung (bzw. einer Verformung von maximal 1/10000) wirken kann. Je höher die dynamische Tragzahl, desto höhere Belastungen können auf das Lager im Betrieb wirken. Je höher die statische Tragzahl, desto besser ist das Lager vor Verformungen bei schweren Lasten geschützt.

Die dynamische Tragzahl wird üblicherweise vom Hersteller angegeben. Berechnet wird die dynamische Lagerbelastung, welche dann mit der dynamischen Tragzahl verglichen wird. Die dynamische Lagerbelastung errechnet sich wie folgt:

P = X \times F_{r} \times F_{a} \times Y
  • P = Dynamische Lagerbelastung in N
  • Fr = Radialkraft in N
  • Fa = Axialkraft in N
  • X = Radiallastfaktor
  • Y = Axiallastfaktor
  • Die Belastungsfaktoren X und Y sind abhängig von der gewählten Lagerart und dem Verhältnis aus Fr und Fa (in der Regel Herstellerangaben)

Die dynamische Tragzahl C sollte größer bzw. gleich der ermittelten dynamischen Lagerbelastung P sein, da sonst die Gefahr besteht, dass das Lager überlastet wird. Die statische Tragzahl C0 lässt sich wie folgt berechnen:

C_{0} = P_{0} \times S_{0}
  • C0 = Statische Tragzahl in N
  • P0 = Äquivalente statische Lagerbelastung
  • S0 = Statische Tragsicherheit, abhängig von Betriebsart und Laufruheanforderungen

Die Lagertragzahlen werden durch verschiedene Temperaturen beeinflusst. Hohen Temperaturen führen zur Reduzierung der Materialfestigkeit von Wälzkörpern und Laufbahnen. Zu diesem Zwecke gibt es Reduktionsfaktoren, die im Einsatz bei höheren Temperaturbedingungen bei der Auslegung von Wälzlagern zu beachten sind.