Technische Keramiken in der Praxis - Keramikschrauben / Keramiklager / Hybridlager

Technische Keramiken sind Keramiken, die in spezialisierten technischen Anwendungen Einsatz finden. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften, wie z.B. der hohen Temperatur- und Chemiebeständigkeit, sind sie in einigen Anwendungen oft die bessere Wahl als Komponenten aus z.B. Metall. In diesem Artikel werden einige der Anwendungsmöglichkeiten gezeigt und auf die Materialzusammensetzung und Herstellung von technischen Keramiken eingegangen.

Was sind Technische Keramiken?

Technische Keramik, auch Spezialkeramik oder Hochleistungskeramik genannt, ist auf technische Anwendungen optimiert. Sie unterscheidet sich von herkömmlicher Keramik z.B. durch Reinheit, Brennverfahren und tolerierter Korngröße.

Normierung technischer Keramiken

Die technische Keramik unterliegt verschiedenen Normen. Für Oxidkeramik gibt es z.B. folgende Normen:

  • DIN EN 60672: Definiert die Gruppeneinteilung, Begriffe, Prüfverfahren. Außerdem werden Mindestanforderungen für Eigenschaften wie die Biegefestigkeit festgelegt.
  • DIN 40680: Legt Allgemeintoleranzen für keramische Bauteile im Elektrotechnikbereich fest.
  • DIN EN 14232: Befasst sich mit Hochleistungskeramik und listet Begriffe inkl. Definitionen auf.
  • ISO 15165: Enthält ein Klassifizierungssystem für Hochleistungskeramiken.

Auch bestimmte Prüfverfahren sind normiert. Die DIN EN 725 enthält z.B. Bestimmungen zu Verunreinigungen und Dichte, u.a. für Hochleistungskeramikpulver.

Materialien für Technische Keramiken

Keramik ist ein Oberbegriff für verschiedene anorganische, nichtmetallische Werkstoffe. In der Regel entsteht zunächst aus einem Gemisch aus Keramikpulver, organischem Binder und Flüssigkeit eine Rohmasse, die anschließend ausgehärtet werden muss (z.B. in einem Sintervorgang bei hohen Temperaturen). Keramik lässt sich in drei Oberkategorien einteilen: keramisches Irdengut, keramisches Sintergut und keramische Sondermassen. Technische Keramik zählt zu den keramischen Sondermassen. Ganz allgemein lassen sich technische Keramiken in oxidische und nicht-oxidische Keramiken unterteilen, wobei oxidische Keramiken wie Aluminiumoxid häufiger verwendet werden. Oxidische Keramiken bestehen aus Metalloxiden und zeichnen sich durch chemische Stabilität, Festigkeit und elektrische Isolierfähigkeit aus. Nicht-oxidische weisen eine hohe Verschleißfestigkeit (Resistenz gegenüber Abrasion), u.U. bessere thermische Leitfähigkeit und mechanische Belastbarkeit auf. Sie unterteilen sich weiter in:

  • Nitridkeramiken: Nitridkeramiken enthalten Stickstoff. Siliziumnitrid z.B. hat eine hohe thermische Schockbeständigkeit und hohe Verschleißfestigkeit. Boritrid weist eine gute Schmierfähigkeit auf.
  • Karbidkeramiken: Karbidkeramiken enthalten Kohlenstoff. Sie sind besonders hart, mit Borkarbid als eines der härtesten Materialien. Siliziumkarbid hat einen hohen Schmelzpunkt (ca. 2700 °C) und ist chemisch stabil.
  • Silikatkeramiken: Silikatkeramiken basieren auf Siliziumdioxid. Beispiele sind Porzellan und Steatit. Steatit hat gute dielektrische Eigenschaften und wird häufig als Isolator in der Elektrotechnik verwendet.

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Einteilung der verschiedenen Keramikarten:

Einteilung der Keramik
Keramik
Keramisches Irdengut Keramisches Sintergut Keramische Sondermassen z.B. Hochtemperatur- und elektrotechnische Sondermassen
Baukeramik Feuerfeste Keramik Sonstiges Irdengut Steinzeug Porzellan technische Keramik (Silikatkeramik / Oxidkeramik / Nichtoxidkeramik)
Ziegelsteine, Dachziegel usw. Schamottesteine, Magnesit usw. Steingut Tonware Grobsteinzeug Feinsteinzeug Hartporzellan Weichporzellan traditionelle technische Keramik Hochleistungskeramik
Geschirr usw. Fliesen Blumentöpfe, Terrakotta usw. Klinker, Fliesen, Kanalisationsrohre usw. Fliesen, Geschirr, Sanitärartikel, chemische Geräte usw. Gebrauchs- und Ziergeschirr bevorzugt für Zierplastiken Chemieporzellan, feuerfeste Keramikwerkstoffe, Isolatoren Funktionskeramik Struktur- und Ingenieurkeramik
Sensor- und Schutzkeramik, Bio- und medizinische Keramik, Elektrokeramik, Schneidkeramik mechanisch belastete Teile mit hoher Härte und Verschleißfestigkeit wie: Dichtungen, Lager, Laufbuchsen, Konstruktionsteile

Herstellverfahren für Technische Keramiken

Es gibt verschiedene Herstellverfahren für technische Keramiken. Beim Heißisostatischen Pressen (HIP), auch Hochdruck-Sintern genannt, entstehen Keramiken mit sehr hoher Dichte und geringer Porosität.

Es ist aber auch möglich, über einen Drucker Komponenten aus technischer Keramik direkt auszudrucken. Beim LCM-Verfahren (Lithography-based Ceramic Manufacturing) dient dabei z.B. ein UV-empfindliches Monomer und ein keramisches Pulver als Ausgangsstoff. Beim LDM-Verfahren (Liquid Deposition Modelling) wird keramisches Rohmaterial angefeuchtet und verdichtet und anschließend mittels Drucker Schicht für Schicht aufgetragen.

Eigenschaften von Technische Keramiken

Die Eigenschaften von technischen Keramiken machen sie in speziellen Anwendungen zur bevorzugten Wahl. Sie eignen sich z.B. aufgrund ihrer hohen Temperaturbeständigkeit für den Einsatz in Hochtemperaturanwendungen wie z.B. der Energieerzeugung. Sie verlieren ihre strukturelle Integrität nicht beim Erhitzen. Auch sind technische Keramiken chemisch beständiger als andere Materialien, da sie chemisch inert sein können.

Die hohe Härte und Dichte der Keramik geht allerdings mit einer Reduzierung der Bruchfestigkeit einher, welche konstruktiv berücksichtigt werden muss.:

  • Scharfe Kanten, Ecken und Kerben sollten vermieden oder zumindest minimiert werden. Diese können zu Rissen und Spannungen führen. Stattdessen können z.B. abgerundete Kanten verwendet werden.
  • Zu enge Passungen sollten vermieden werden, da diese ebenfalls zu Rissen führen.
  • Beim Bohren ist auf einen ausreichend großen Radius zu achten, damit Spannungen vermieden werden.
  • Technische Keramik isoliert elektrische Energie sehr gut. Sollte das nicht gewünscht sein, ist ggf. auf den Einsatz zu verzichten.

Die nachfolgenden Tabellen liefern einen Überblick über verschiedene Eigenschaften von technischer Keramik, insbesondere der Aluminiumoxide, sowie einen Vergleich mit anderen Materialien:

Eigenschaften von technischer Keramik
Werkstoff Farbe Eigenschaften
Sichere Umgebungstemperatur (°C) Volumenspezifischer Widerstand(Ω * cm) Biegefestigkeit Mpa
Aluminiumoxid 92 / Al2O3 92% weiß ~ 1200 > 1014 240~340
Al2O3 / Aluminiumoxid 96 / Al2O3 96% weiß ~ 1300 > 1014 300
Al2O3 / Aluminiumoxid 99 / Al2O3 99.7% naturfarben ~ 1500 > 1015 340
Aluminiumoxid 99.5 weiß ~ 1200 < 1014 490
Steatit / SiO2, MgO weiß ~ 1000 > 1014 120
Maschinell bearbeitbare Keramik / SiO2, MgO naturfarben ~ 1000 > 1016 94
Eigenschaften Einheit Al2O3 / Aluminiumoxid 99.5
Wasseraufnahmeverhältnis %
Dichte g/cm3 3.9
Wärmebeständigkeit 1000 ~ 1200
Druckfestigkeit kN/cm2 363
Biegefestigkeit kN/cm2 49
Linearer Wärmeausdehnungskoeffizient - 8.0x10-6 (25~700 ℃)
Wärmeleitfähigkeit W/(m x ℃) 31.4 (20 ℃)
16.0 (300 ℃)
Spezifischer Volumenwiderstand Ω x cm > 1014 (20 ℃)
> 1014 (300℃)
Dielektrizitätskonstante 1 MHz 9.8
Isolationswiderstand kV/mm 10
Physikalische Eigenschaften von Al2O3 (repräsentative Referenzwerte)    
Eigenschaften von Keramik im Vergleich zu anderen Werkstoffen
  Edelstahl
1.4301/X5CrNi18-10
Zentrierstift (KCF)
(Edelstahl mit 5~10μm
Beschichtung aus Alumini- umoxid als Isolierschicht)
Keramik Al2O3 Nylon Bakelit
(Papierbasis)
Bakelit
(Gewebebasis)
Natürlicher Widerstand (Ω) 72x10-6 2x108 1014 5x1012 1010 1012
Durchschlagspannung (V) - 150 104 1.9x104 - -
Reißfestigkeit (MPa) 520 421 - 88 80 100
Ausdehnung (%) 40 10 - 50 2 2
Biegefestigkeit (MPa) - - 350 103 180 160
Vickers Härte (HV) 200 an der Spitze 1300
innen 200
1400 - - -
Isoliereigenschaften gut ausgezeichnet ausgezeichnet ausgezeichnet ausgezeichnet
Wärmebeständigkeit gut gut ausgezeichnet fraglich fraglich
Bearbeitbarkeit gut gut gut gut gut

Verwendung von Technische Keramiken

Technische Keramik kommt meist bei besonderen Anforderungen zum Einsatz. In der Regel sind keramische Werkstoffe korrosions- und temperaturbeständig, elektrisch isolierend und gleichzeitig verhältnismäßig leicht, druckfest und verschleißbeständig. Wird der erhöhten Brüchigkeit der Keramik konstruktiv Rechnung getragen, ermöglicht die mechanische Festigkeit der Hochleistungskeramiken neben Gewichtseinsparungen und dem Einsatz bei höheren Temperaturen auch eine geringere Wärmeentwicklung, Laufgeräuschreduzierung sowie eine längere Lebensdauer bei Lagern. Auch Normteile wie Schrauben und Unterlegscheiben gibt es aus technischer Keramik.

Keramiklager und Hybridlager

Keramiklager sind chemisch beständig und eignen sich für Trockenanwendungen ohne Schmierung. Durch hervorragende Abrolleigenschaften der Keramik-Rollkörper eignen sie sich sehr gut für hohe Drehzahlen. Vollkeramiklager rosten nicht und können nicht durch Magnetfelder beeinflusst werden, sind jedoch anfällig gegen Stöße und Zugspannung. Anwendungsbereiche sind z.B. Reinigungsgeräte, Galvanisierungsgeräte und Ätzgeräte.

Beispiel für ein Keramiklager
Beispiel für ein Keramiklager

Keramiklager gibt es als Vollkeramik- und Hybridlager. Beim Hybridlager werden sowohl Wälzkörper aus Hochleistungskeramik als auch Laufringe aus Wälzlagerstahl verbaut. Dadurch vereint ein Hybridlager die Vorteile beider Materialien, wodurch sich die Leistungsfähigkeit verbessert. Hybridlager eignen sich zum Einsatz bei hohen Drehzahlen und erschwerten Schmierbedingungen. Außerdem empfehlen sich Keramik- und Hybridlager bei hohen Temperaturen bis zu 1000°C, in korrosionsprovozierender Umgebung, im Leichtbau (bis zu 60% leichter als Stahllager) und wenn Isolation gefordert ist. Beim Einsatz von Keramiklagern ist allerdings zu beachten, dass diese sich in geringerem Maße ausdehnen als z.B. Stahllager. Sind Konstruktionen, die unter hohem Temperatureinfluss stehen, auf den Einsatz von Keramiklagern ausgelegt, lassen diese sich nicht ohne Weiteres durch Stahllager ersetzen.

Keramikschrauben

Neben den bereits erwähnten Eigenschaften für Keramik allgemein, überzeugen Keramikschrauben vor allem auch durch folgende Eigenschaften: elektrisch isolierfähig, nichtmagnetisch und leicht, was sie von Metallschrauben unterscheidet. Sie lassen sich so z.B. in elektronischen Baugruppen verwenden oder in Anwendungen, bei denen keine magnetische Interferenz gewünscht ist (z.B. ebenfalls Elektronik, Medizintechnik).

Keramikschrauben gibt es z.B. in folgenden Varianten:

  • Zirkonoxid-Schrauben: sehr hart, verschleißfest, thermoschockbeständig
  • Aluminiumoxid-Schrauben: sehr hart, temperaturbeständig
  • Siliziumnitrid-Schrauben: besonders leicht aufgrund geringer Dichte
Beispiel für eine Keramikschraube
Beispiel für eine Keramikschraube

Einbauhinweise

Damit die Komponente aus Keramik bestmöglich in die Konstruktion eingebaut wird, empfiehlt sich die Beachtung folgender Hinweise:

  • Bauteile aus Keramik sind sehr stoßanfällig, beim Einbau sollte daher mit besonderer Vorsicht gearbeitet werden.
  • Keramikschrauben sollten immer mit Drehmoment angezogen werden. Sie sind brüchiger als Metallschrauben, daher sollte das Drehmoment geringer sein, z.B. 0.04 bei M3, 0.05 bei M4, 0.30 bei M8 und 0.50 bei M10.
  • Für eine bessere Lastverteilung empfehlen sich Unterlegscheiben.
  • Bei Wälzlagern ist die Ausrichtung besonders wichtig: Ungleiche Belastungen können zu vorzeitigem Versagen führen.