Bearbeitungsgrenzen und Genauigkeitsstandards bei Blechteilen

Blechteile werden in unserem Alltag und der Industrie in den verschiedensten Bereichen eingesetzt. Damit diese gefertigten Blechteile interoperabel eingesetzt werden können, müssen sie bestimmte Genauigkeitsstandards und Bearbeitungsgrenzen einhalten. Diese beziehen sich auf spezifische Parameter und Toleranzen in Bezug auf Breite, Länge, Dicke sowie geometrische Toleranzen. Die Vorgaben müssen bei der Herstellung von Blechteilen berücksichtigt werden. Nachfolgend wird näher auf verschiedene Standards und Grenzen eingegangen.

Wodurch zeichnen sich Blechteile aus?

Blechteile tragen im Maschinenbau als strukturelle Komponenten, aber auch als Verkleidungen und Gehäuse maßgeblich zur Stabilität, Funktionalität und Ästhetik von Maschinen und Geräten bei. Bleche sind in der Regel Walzerzeugnisse und definieren sich als ein flaches Stück Metall dessen Breite und Länge deutlich größer ist als seine Materialdicke.

Blechteile haben folgende Besonderheiten:

  • Verarbeitungsmethode: Einige Verarbeitungsmethoden, wie z.B. Walzen oder Pressen, können die Mikrostruktur von Blech ändern, was sich auf die Festigkeit und Duktilität auswirkt.
  • Materialstärke: Blechteile mit einer Dicke von unter 3 mm werden als Feinblech bezeichnet. Sind Bleche 3 mm oder dicker, sind es Grobbleche.
  • Formbarkeit: Vor allem Feinblechteile lassen sich aufgrund ihrer geringen Stärke mittels verschiedener Verfahren wie Stanzen, Prägen und Biegen leicht umformen. Das ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien.

Was sind Blechtoleranzen in der Blechverarbeitung und wozu dienen sie?

Bleche kann man auf vielfältige Art und Weise bearbeiten, z.B. stanzen, lasern und biegen. In der Blechteilfertigung müssen dabei, wie bei der Konstruktion anderer Bauteile auch, immer auch die zulässigen Toleranzen berücksichtigt werden. Es ist nahezu unmöglich, Werkstücke zu 100% maßstabgetreu herzustellen. Die normgerechte Bemaßung von Blechteilen spielt daher eine wichtige Rolle. Ohne weitere Genauigkeitsangaben wird in der Regel nach Allgemeintoleranz gefertigt. Werden Details oder ein komplettes Bauteil in höherer Genauigkeit gefordert, muss die dort zulässige Abweichung durch Angabe der Toleranz im Vorfeld definiert werden.

Im Blog Form und Lagetoleranzen nach ISO 1101 finden Sie eine Übersicht der in technischen Zeichnungen verwendeten Symbole nach ISO 1101.

Je höher der Genauigkeitsgrad, desto teurer wird auch die Produktion. Toleranzen dienen dazu, dass solche Abweichungen in einem definierten Maße berücksichtigt werden und die fertigen Produkte passgenau verbaut werden können. Toleranzen müssen immer so bestimmt werden, dass sowohl die Genauigkeit als auch die Machbarkeit und die durch die Fertigung entstehenden Kosten im Hinterkopf behalten werden. Es wird eine Ober- und Untergrenze definiert. Das Toleranzfeld liegt dazwischen. Je enger die Toleranz, desto genauer ist das Werkstück bemessen. Bei der Blechverarbeitung gibt es ganz allgemein Toleranzen für folgende Blechmerkmale:

  • Winkelmaße: Toleranzen für Winkel, z.B. bei Biegungen.
  • Form: Formtoleranzen wie Ebenheit oder Rundheit, die sicherstellen, dass die vorgesehene Form eingehalten wird.
  • Lage: Stellen die genaue Position sicher, z.B. Symmetrie beim Loch ins Blech stanzen. Dadurch wird gewährleistet, dass sich das Blech passgenau mit anderen Komponenten zusammenbauen lässt.
  • Bohrungen: Toleranzen gibt es z.B. für die Abmessungen der Bohrung, den Abstand von Bohrung zu Bohrung oder den Randabstand der Bohrung in Stahl. Wichtig sind sie, um Risse und Verformungen zu vermeiden. Außerdem trägt ein korrekt eingehaltener Randabstand zur Festigkeit und Stabilität des Blechs bei.
  • Dicke: Toleranzen für die Materialstärke
Wasserstrahlschneidemaschine während des Bearbeitungsprozesses
Wasserstrahlschneidemaschine während des Bearbeitungsprozesses

Toleranzanalyse

Wie findet man überhaupt das passende Toleranzfeld für die einzelnen Parameter? Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Toleranzanalyse:

  • Worst-Case-Analyse: In dieser Methode werden extreme Toleranzkombinationen getestet und daraus die maximalen und minimalen Grenzwerte abgeleitet. Es werden alle Bauteile mit extremen Grenzwerten verbaut und müssen in der Kombination dennoch funktionieren.
  • Statistische Analyse: Mittels statistischer Techniken wird die Wahrscheinlichkeit bestimmt, nach derer alle Komponenten innerhalb der Toleranzgrenzen liegen (Annahme: Gaußsche Normalverteilung). Für die Bewertung wird zwar zunächst eine ausreichend hohe Datenmenge benötigt, sie ist dann aber durchaus aussagekräftig. Außerdem werden unnötig enge Toleranzen vermieden.
  • Toleranzstapelanalyse (RSS): Die Toleranzstapelanalyse berechnet die Gesamtabweichung eines Systems anhand der Annahme, dass Toleranzen unabhängig und zufällig verteilt sind. Sie ist einfach anzuwenden, mitunter aber nicht so genau.

Bestimmung von Blechtoleranzen

Welche Toleranz gewählt wird, hängt in erster Linie vom geplanten Einsatz des Blechteils ab. Die geplante Anwendung entscheidet unter anderem über Materialauswahl, Größe, Lage und Form sowie geforderte Maßgenauigkeit. In vielen Fällen ist die geforderte Maßgenauigkeit ausreichend, um auf Allgemeintoleranzen zurückgreifen zu können. Allgemeintoleranzen greifen immer dann, wenn keine spezifischen Toleranzen in technischen Zeichnungen angegeben sind.

Einen ergänzenden Blog zum Thema Prüfmittel und Positionierelemente für Blechteile finden sie hier.

Allgemeintoleranzen für Lage und Form

Es gibt verschiedene DIN-Toleranzen für Metalle. Allgemeintoleranzen für Lage und Form legt z.B. die DIN ISO 2768-2 fest:

Normale Symmetrietoleranz nach ISO 2768 - 2 / JIS B 0419 - 1991
Toleranzklasse Nennlänge (Einheit: mm)
≤ 100 > 100
≤ 300
> 300
≤ 1000
> 1000
Symmetrietoleranz
H 0.5
K 0.6 0.6 0.8 1
L 0.6 1 1.5 2

Im Zusammenhang der Norm bedeutet Symmetrie, dass sich ein Bauteilmerkmal oder mehrere Merkmale gleichmäßig um eine Bezugsachse verteilen müssen. Die Symmetrietoleranz gibt an, wie hoch die maximale Abweichung von dieser Achse sein darf. Insbesondere bei Blechteilen, die beweglich bleiben müssen oder wo Lastverteilung eine Rolle spielt, sind Symmetrietoleranzen wichtig.

Die Toleranzklassen definieren sich wie folgt: Die Klasse H ist "fein“, K "mittel“ und L "grob". Bauteile, die den Anforderungen der Klasse H gerecht werden, werden daher für Anwendungen verwendet, die eine hohe Präzision erfordern. Klasse K eignet sich für mittlere Präzision und L für Anwendungen, wo größere Abweichungen unproblematisch sind.

Weitere informationen zum Thema Toleranzen und Toleranzklassen finden Sie in unserem Blog: Toleranzklassen nach ISO 22081 und DIN ISO 2768: Allgemeintoleranzen optimal einsetzen

Ebenheitstoleranz für Blech

Eine weitere wichtige Toleranz für Bleche ist die Ebenheitstoleranz. Die Ebenheitstoleranz stellt sicher, dass die Blechfläche innerhalb bestimmter Grenzwerte ebenmäßig flach bleibt. Durch Einhalten der Ebenheitstoleranz wird sichergestellt, dass ein Blechteil die korrekte Passform hat und verschiedene Baugruppen z.B. dicht miteinander verbaut werden können. Wird die Toleranz nicht eingehalten, kann es zu falscher Belastungsverteilung und Spannungen kommen. Zur Bestimmung der Ebenheitstoleranz kann ebenfalls die DIN ISO 2768-2 herangezogen werden:

Normale Geradheits- und Ebenheitstoleranz nach ISO 2768 - 2 / JIS B 0419 - 1991
Toleranzklasse Nennlänge (Einheit: mm)
≤ 10 > 10
≤ 30
> 30
≤ 100
> 100
≤ 300
> 300
≤ 1000
> 1000
≤ 3000
Normale Geradheits- und Ebenheitstoleranz
H 0.02 0.05 0.1 0.2 0.3 0.4
K 0.05 0.1 0.2 0.4 0.6 0.8
L 0.1 0.2 0.4 0.8 1.2 1.6

Toleranzen beim Biegen von Blech

Weitere Toleranzen für Bleche können z.B. die Winkeltoleranz und die Rechtwinkligkeitstoleranz sein. Da Bleche sich aufgrund ihrer häufig geringen Materialstärke und spezifischen Materialeigenschaften leicht umformen lassen, ist das eine der typischsten Verarbeitungsformen. Aber auch gerade diese leichte Bearbeitung macht die Anwendung von Toleranzen besonders wichtig. MISUMI bietet vielfältige Anpassungsmöglichkeiten für Montagewinkel und Befestigungswinkel mit unterschiedlichen Toleranzen.

Beispielabbildung Blechteil
Beispielabbildung Blechteil
  • 1 = Biegewinkeltoleranz
  • 2 = Biegungsradius
Winkeltoleranz nach ISO 2768-1 / JIS B 0405 - 1991
Toleranzklasse   Länge des kürzeren Schenkels (Einheit: mm)
Symbol Beschreibung ≤ 10 > 10
≤ 50
> 50
≤ 120
> 120
≤ 400
> 400
Toleranz
f Fein ± 1° ± 30′ ± 20′ ± 10′ ± 5′
m Mittel
c Grob ± 1° 30′ ± 1° ± 30′ ± 15′ ± 10′
v Sehr grob ± 3° ± 2° ± 1° ± 30′ ± 20′
Normale Rechtwinkligkeitstoleranz nach ISO 2768 - 2 / JIS B 0419 - 1991
Toleranzklasse Nenngröße der kürzeren Seite (Einheit: mm)
≥ 100 > 100
≤ 300
> 300
≤ 1000
> 1000
≤ 3000
Rechtwinkligkeitstoleranz
H 0.2 0.3 0.4 0.5
K 0.4 0.6 0.8 1
L 0.6 1.0 1.5 2

Was sind Bearbeitungsgrenzen in der Blechverarbeitung?

Für blechverarbeitete Produkte werden Bearbeitungsgrenzen für jede Blechdicke, jedes Material, jede Form und jeden Lochtyp festgelegt.

Wenn der Wert außerhalb der Bearbeitungsgrenzen liegt, kann das Blechteil nicht bearbeitet werden.

Die nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick über die bei MISUMI möglichen Bearbeitungsgrenzen von Blechteilen:

Plattendicke f (Abstand zwischen Bohrung und Biegung) b (Bohrung und Abstand zwischen Endfäche) h g
EN 1.0330 Äquivalent
EN 1.0320 Äquivalent (warmgewickelt)
EN AW- 5052 Äquivalent EN 1.4301 Äquivalent(2B) Durchgangsbohrung Gewindebohrungen Bohrung mit Toleranz: geschlitzte Bohrung parallel zur Biegung
-Biegung Z, konvexe Biegung -Biegung Z, konvexe Biegung
1 - 1 2 3 3 5.5 3.5 1 5.5 5.5
1.6 1.5 1.5 2 3.5 3 6 4 1 6 6
2.3 2 2 2 4.5 3 7 5 1.5 7 7
3.2 3 3 2 6.5 3 9 7 1.5 9 9
4.5 4 4 3 7.5 4 11 8 (9) 2 11 11
6 5 5 3 14 4 16 15 2.5 16 18
Hinweis: Geschlitzte Bohrung f parallel zu T4.0 - 4.5 ist (9 mm)
Die Bohrung kann verformt sein, wenn dies beim oben angegebenen Grenzwert festgelegt wurde.

Für die Arbeit mit dem Meviy-Tool von MISUMI finden Sie weitere Informationen unter Bereich der Bearbeitungsgrenzen bzw. Design-Richtlinien.