Grundlagen von Maßtoleranzen und der Passungsauswahl

Maßtoleranzen spielen eine entscheidende Rolle in der mechanischen Konstruktion und beeinflussen direkt die Funktionalität und Qualität von Maschinen, Geräten und anderen mechanischen Produkten. In der mechanischen Konstruktion beziehen sich Toleranzen auf die erlaubten Abweichungen von den idealen Maßen eines Bauteils oder einer Baugruppe. Es gibt verschiedene Passungssysteme, wie z.B. die Einheitsbohrung und Einheitswelle. Für weitere Informationen zu Toleranzklassen sehen Sie auch unseren Blog-Artikel „Toleranzklassen nach ISO 22081 und DIN ISO 2768“.

Warum sind Maßtoleranzen wichtig?

Im Fertigungsprozess ist es nahezu unmöglich, Bauteile zu 100% präzise ohne Abweichungen herzustellen. Gerade auch in der Massenproduktion wird es immer wieder minimale Abweichungen geben. Würde man diese Abweichungen nicht berücksichtigen, wären Bauteile nicht mehr miteinander kompatibel. Maßtoleranzen dienen dazu, diese Abweichungen schon vorab mit einzuberechnen, so dass Bauteile je nach gewünschter Passungsart zusammenpassen. Sie bilden die Grundlage für die genaue Festlegung der erlaubten Abweichungen von den nominellen Maßen eines Objekts. Durch Maßtoleranzen werden folgende Aspekte beeinflusst:

  • Funktionalität und Passgenauigkeit: Nur mit korrekt definierten Toleranzen kann sichergestellt werden, dass Bauteile ineinander passen und nicht zu eng oder locker sitzen. Ein falscher Sitz kann die Funktion erheblich beeinträchtigen.
  • Montage- und Fertigungsprozesse: Beim Herstellungsprozess kann es bei großen Stückzahlen zu Schwankungen kommen, die aber durch Toleranzen an Gewichtung verlieren.
  • Kosten: Je genauer Bauteile gefertigt werden, desto teurer wird auch die Produktion. Durch Toleranzen können die Kosten gering gehalten werden, da eine unnötig hohe Präzision in den meisten Fällen nicht nötig ist.

Verschiedene Normen definieren z.B. Allgemeintoleranzen (DIN ISO 2768-1, ISO 22081) oder verschiedene Tolerierungsgrundsätze (DIN ISO 8015).

Beispielabbildung - Messschieber
Beispielabbildung - Messschieber

Geeignete Passungsauswahl

Die richtige Passungsauswahl ist entscheidend, um sicherzustellen, dass Bauteile und Baugruppen ordnungsgemäß funktionieren. Es gibt drei Arten von Passungen:

  • Spielpassung: Ist eine lose Passung, Bewegung zwischen den Bauteilen ist erwünscht.
  • Übermaßpassung: Ein Bauteil ist größer als das andere Bauteil. Eine Presspassung sorgt für eine feste Verbindung.
  • Übergangspassung: Ist eine Mischung aus Spielpassung und Übermaßpassung, bei der ein gewisser Spielraum bleibt, das Fügen der Bauteile aber auch leichten Kraftaufwand benötigen kann.
3D-Koordinatenmessung zur Qualitätssicherung
3D-Koordinatenmessung zur Qualitätssicherung

Bei der Auswahl sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Funktionale Anforderungen, z.B. Welche Art von Bewegung, Kraftübertragung oder Momenten ist erforderlich?
  • Gewünschte Genauigkeit und Präzision, wobei auch die Kosten, die eine präzise Fertigung mit sich bringt, berücksichtigt werden sollten. Ein gutes Gleichgewicht ist das Ziel.
  • Materialien, z.B. sollte der Wärmeausdehnungskoeffizient der Materialien berücksichtigt werden.
  • Umgebungsbedingungen, z.B. Temperatur und Feuchtigkeit.
  • Montage und Demontage, z.B. für Komponenten, die oft demontiert werden müssen. Eine zu fest sitzende Übermaßpassung würde sich dafür nicht eignen.
  • Normen und Standards, die ggf. für einige Branchen bindend sind und Einfluss auf die Qualität der hergestellten Bauteile nehmen.

Bei MISUMI finden Sie eine Übersicht über weitere Grundlagen der Passungswahl. In nachfolgender Tabelle werden verschiedene Maßtoleranzen und Passungsarten miteinander verglichen und Anwendungsbeispiele gezeigt:

Zeichnungshandbuch in JIS-Reihe (Anwendung) Auszug und Bearbeitung aus JIS JIS B0401-1, -2 (1998)
  H6 H7 H8 H9 Geeigneter Artikel Leistungsklassifizierung Anwendungsbeispiel
Kann relativ bewegt werden Spielpassung Lockere Passung       c9 Teil mit Platz für breiten Spalt oder bewegliches Teil, das einen Spalt erfordert.
Teil zur Verwendung bei einer großen Lücke zur Erleichterung des Zusammenbaus.
Teil für das eine angemessene Lücke auch bei hohen Temperaturen erforderlich ist.
Teil für dessen Struktur eine Lücke erforderlich ist.
(Bläst auf. Großer Positionsfehler Passung ist zu lang.)

Kosten müssen gesenkt werden.
( Herstellungskosten Instandhaltungskosten)
Kolbenring und Ringnut
Anschluss über einen lockeren Gewindestift.
Leichte Rollpassung     d9 d9 Teil zur Verwendung bei einer Lücke bzw. Teil, für das eine Lücke erforderlich ist. Kurbelwange und Pleuellager (Seite)
Auslassventil-Box und gleitender Teil eines Federlagers
Kolbenring und Ringnut
  e7 e8 e9 Teil zur Verwendung bei einer großen Lücke oder Teil, für das eine Lücke benötigt wird.
Relativ große Lücke, gut geschmiertes Lager.
Lager für hohe Temperaturen, hohe Drehzahl und Schwerlast (hochwertige Druckumlaufschmierung).
Reguläres Dreh- bzw. Gleitelement (Muss gut geschmiert sein.)

Regulärer Anschluss (Geht oft auseinander.)
Anschluss der Auslassventil-Box
Hauptlager für Kurbelwelle
Reguläres Gleitelement
Rollpassung f6 f7 f7
f8
  Passung, die einen Spalt für Bewegungen ermöglicht (hochwertige Passung).
Reguläres Lager für normale Temperaturen, mit Fett oder Öl geschmiert.
Teil mit eingefügtem gekühltem Auslassventil.
Reguläre Welle und Buchse
Hebel und Buchse für Verbindungsvorrichtung
Feine Rollpassung g5 g6     Kontinuierlich rotierendes Teil einer Präzisionsmaschine unter leichter Last.
Mit einem engen Spalt, um Bewegung zu ermöglichen (Zapfen und Positionierung). Präzisionsgleitelement.
Für präzise Bewegung erforderliches Teil, praktisch ohne Spiel. Hebel und Stift für Verbindungsvorrichtung
Passfeder und Nut
Präzisionssteuerventilstange
Kann nicht relativ bewegt werden Übergangspassung Gleitpassung h5 h6 h7
h8
h9 Passung, die bei aufgetragenem Schmiermittel eine Bewegung mit der Hand ermöglicht. (hochwertige Positionierung)
Spezielles Präzisionsgleitelement
Unwichtiges statisches Teil
Kann demontiert und montiert werden ohne Bauteile zu beschädigen. Kraft wird nicht nur allein über die Passkraft Anschlusskraft allein übertragen werden. Kranz und Nabe miteinander verbinden Anschluss des Rads eines Getriebes
Schiebepassung h5
h6
js6     Anschluss zur Verwendung bei einer leichten Lücke.
Präzisionsanschluss, der beide Teile sperrt, während die Vorrichtung verwendet wird.
Anschluss, der mit einem Holz oder Bleihammer montiert und demontiert werden kann.
Kupplungsflansche anschließen Regelstrecke und Stift

Getriebekranz und Nabe miteinander verbinden
Presspassung js5 k6     Passung, die für Montage und Demontage einen Eisenhammer oder eine Handpresse erfordert (eine Passfeder o. ä. ist erforderlich, um eine Rotation der Welle zu verhindern).
Präzisionspositionierung.
Welle einer Getriebepumpe und eines Gehäuses miteinander verbinden

Passschrauben
k5 m6     Identisch wie oben für Montage und Demontage.
Präzisionspositionierung ohne Lücke.
Passschrauben

Kolben der hydraulischen Ausrüstung und eine Welle verbinden. Kupplungsflansch und Welle miteinander verbinden
Leichte Presspassung m5 n6     Anschluss, für den eine beträchtliche Kraft für die Montage und Demontage erforderlich ist. Stationäre Präzisionspassung (eine Passfeder o. ä. ist erforderlich, um ein hohes Drehmoment zu übertragen) Eine geringe Kraft kann allein über die Passkraft Anschlusskraft allein übertragen werden. Welle einer flexiblen Kupplung und Getriebe (passive Seite) Präzisionsanschluss

Einsetzen eines Ansaugventils und einer Ventilführung
Übermaßpassung Presspassung n5
n6
p6     Anschluss, für den eine hohe Kraftaufwendung für die Montage und Demontage erforderlich ist (eine Passfeder oder ähnliches ist für die Übertragung hoher Drehmomente erforderlich). Eine leichte Presspassung oder ähnliches ist erforderlich für Bauteile aus NE-Metallen.
Für Eisenbauteile, Bronzeteile und Kupferteile ist eine Standardpresspassung erforderlich.
Schwer zu demontieren, ohne Beschädigung Teils zu bestätigen. Einsetzen eines Ansaugventils und einer Ventilführung Getriebe und Welle miteinander verbinden (niedriges Drehmoment)

Welle einer flexiblen Kupplung und eines Getriebes (Antriebsseite)
p5 r6     Identisch wie oben für Montage und Demontage.
Für große Bauteile ist ein Schrumpfpressanschluss, Kaltpressanschluss oder Zwangspressanschluss erforderlich.
Kupplung und Welle
Starke Presspassung, Schrumpfpassung, Kaltpassung Es kann eine beträchtliche Kraft alleine kann eine Anschlusskraft allein übertragen werden.
r5 s6
t6
u6
x6
    Fest gekuppelt und es ist ein Schrumpfpressanschluss, Kaltpressanschluss oder Zwangspressanschluss erforderlich. Dauerhaft montierte Baugruppe, die nicht zerlegt werden kann.
Eine Presspassung oder ähnliches ist für Elemente aus Leichtmetall erforderlich.
Eine Lagerbuchse anbringen und befestigen
Einsetzen eines Ansaugventils und einer Ventil-Box
Kupplungsflansche und Welle miteinander verbinden (hohes Drehmoment)
Kranz eines Antriebsrads und einer Nabe miteinander verbinden
Eine Lagerbuchse anbringen und befestigen

Einheitsbohrung und Einheitswelle

Die Einheitsbohrung ist ein Passungssystem mit ISO-Toleranzen im Maschinenbau. Die Bohrung, die zu einer bestimmten Passung gehört, wird einheitlich gefertigt, während die entsprechende Toleranz in die Welle verschoben wird. Bei der Einheitswelle wiederum wird die Toleranz in die Bohrung verschoben und die Welle einheitlich gefertigt. Einheitsbohrungen sind üblicher, da es in der Regel einfacher und kostengünstiger ist, eine Bohrung zu standardisieren.

Passungen berechnen

Für die Berechnung von Passungen geben die Benennungen von Einheitsbohrung und Einheitswelle wichtige Hinweise. Einheitsbohrungen und Einheitswellen werden gemäß internationalen Normen und Standards gekennzeichnet. Die Kennzeichnungen gewährleisten eine einheitliche und präzise Kommunikation über die spezifischen Abmessungen und Toleranzen von Bohrungen und Wellen in der Fertigungsindustrie.

Einheitsbohrung - Darstellung der Toleranzfelder
Einheitsbohrung - Darstellung der Toleranzfelder
  • [1] H-Bohrung
  • [3] Nulllinie
  • [4] Nennmaß
  • [5] Spielpassung
  • [6] Übergangspassung
  • [7] Presspassung / Übermaßpassung

Einheitsbohrungen werden z.B. in einer Kombination aus Großbuchstaben und Zahl sowie einem Durchmesser (auch Nennmaß) beschrieben, z.B. Ø 50 H9.

Einheitswelle - Darstellung der Toleranzfelder
Einheitswelle - Darstellung der Toleranzfelder
  • [2] h-welle
  • [3] Nulllinie
  • [4] Nennmaß
  • [5] Spielpassung
  • [6] Übergangspassung
  • [7] Presspassung / Übermaßpassung

Einheitswellen mit einer Kombination aus Kleinbuchstaben, Zahl und Durchmesser z.B. Ø 50 h9. H9 wird dabei als Toleranzklasse bezeichnet, der Buchstabe ist das Grundabmaß und die Zahl der Toleranzgrad.

Anhand dessen lässt sich eine Bohrung oder Welle auch einer Grundtoleranz nach ISO 286-1 zuordnen. Es gibt die Grundtoleranzen IT1-IT17. Im genannten Beispiel würde man H9 und h9 der Grundtoleranz IT9 zuordnen. In entsprechenden Tabellen lässt sich daraufhin das obere und untere Grenzmaß ablesen. Mit den Grenzmaßen kann dann das Höchst- und Mindestmaß der Bohrung wie folgt berechnet werden:

  • Höchstmaß G oB = Nennmaß + oberes Grenzmaß
  • Mindestmaß G ub = Nennmaß + unteres Grenzmaß

Das Höchstmaß und Mindestmaß beschreibt den Bereich, innerhalb dessen die tatsächlichen Abmessungen einer Bohrung oder Welle liegen können, um noch akzeptabel zu sein.

Häufig verwendete Einheitsbohrungen und Einheitswellen

Die folgenden Tabellen geben einen Überblick über häufig verwendete Einheitsbohrungen und Einheitswellen und ihren Passungen.

Passung mit häufig verwendeter Bohrung
Bezugsbohrung Toleranzgrenzklasse für Wellen
Spielpassung Übergangspassung   Übermaßpassung
H6           g5 h5 js5 k5 m5                
        f6 g6 h6 js6 k6 m6   n6* p6*          
H7         f6 g6 h6 js6 k6 m6 n6   p6* r6* s6 t6 u6 x6
      e7 f7   h7 js7                    
H8         f7   h7                      
      e8 f8   h8                      
    d9 e9                            
H9     d8 e8     h8                      
  c9 d9 e9     h9                      
H10 b9 c9 d9                              
*Je nach Schema der Maßeinteilung kann es zu Ausnahmen kommen.
Passung mit häufig verwendeter Welle
Referenzwelle Toleranzgrenzklasse für Bohrungen  
Spielpassung Übergangspassung Übermaßpassung
h5             H6 JS6 K6 M6   N6* P6          
h6         F6 G6 H6 JS6 K6 M6 N6   P6*          
        F7 G7 H7 JS7 K7 M7 N7   P7* R7 S7 T7 U7 X7
h7       E7 F7   H7                      
        F8   H8                      
h8     D8 E8 F8   H8                      
    D9 E9     H9                      
h9     D8 E8     H8                      
  C9 D9 E9     H9                      
B10 C10 D10                              
*Je nach Schema der Maßeinteilung kann es zu Ausnahmen kommen.