Maschinelle Bearbeitung von rostfreien Edelstählen

Edelstahl ist ein schwer zerspanbares Material. Bei der Bearbeitung entsteht die Gefahr der Kaltverfestigung. Außerdem können durch Bearbeitungsfehler Angriffsflächen für Korrosion entstehen. Der nachfolgende Artikel beantwortet die oft gestellte Frage "Kann Edelstahl rosten?", gibt einen Überblick über Probleme bei der Bearbeitung, verschiedene Bearbeitungsmethoden und Auswahlkriterien für das richtige Werkzeug zur Bearbeitung von Edelstahl.

Was ist rostfreier Edelstahl?

Der Begriff Edelstahl bezeichnet legierte oder unlegierte Stähle mit einem besonderen Reinheitsgrad. Umgangssprachlich bezeichnet Edelstahl alle rostfreien Stähle; in der technischen Bedeutung kann Edelstahl aber durchaus auch rosten. Die DIN EN 10020 legt die Begriffsbestimmung für Stähle, auch Edelstähle, fest.

Edelstähle sind aufgrund ihrer Verfügbarkeit und Eigenschaften beliebte Materialien. Folgende Eigenschaften zeichnen Edelstahl aus:

  • Langlebig
  • Ansprechende Optik
  • Sehr variabel

Besonders ansprechend ist dabei die Vielseitigkeit: Je nach Zusammensetzung weist Edelstahl andere Eigenschaften auf. Chrom sichert z.B. die Rostfreiheit während Nickel die Säureresistenz fördert. Aufgrund der durch unterschiedliche Legierungen anpassbaren, positiven Eigenschaften werden diverse Edelstähle häufig in der Herstellung von Normteilen im Maschinenbau eingesetzt.

Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Vergleich der Stahleigenschaften unter Angabe der Bezeichnung nach JIS und der zugehörigen in Europa gültigen Werkstoffnummern:

Vergleich der Eigenschaften verschiedener Stähle

  • A = Korrosionsbeständigkeit
  • B = Polierbarkeit
  • C = Zerspanbarkeit
  • D = Schweißbarkeit
  • E = Magnetisierbarkeit
  • Je weiter nach außen der Parameterwert dargestellt wird, desto stärker ist er ausgeprägt.

Folgende Stähle verbergen sich hinter der Werkstoffnummer: X5CrNi18-10 (1.4301 / SUS 304), C X105CrMo17 (1.4125 / SUS 440), X8CrNiS18-9 (1.4305 / SUS 303) und 100Cr6 (1.3505 / SUJ 2).

Probleme beim Umgang und der Bearbeitung von korrosionsbeständigem Stahl

Fälschlicherweise wird angenommen, dass korrosionsbeständiger Stahl zu 100% rostfrei ist. Das stimmt so nicht: Auf der Oberfläche von chromlegiertem Edelstahl bildet sich unter Einfluss von Sauerstoff eine Passivschicht bzw. Oxidschicht, die den Stahl vor Korrosion schützt. Diese Schicht ist mit 0.06 - 0.08 Mikrometer sehr dünn. Es braucht jedoch eine gewisse Zeit, bis sich diese Schicht bildet und aktiv gegen Korrosion schützen kann. Typische Probleme bei der Bearbeitung sind daher, dass nicht genug Zeit zur Bildung der Schicht berücksichtigt wurde oder die Passivschicht durch Kratzer u.a. bei der Bearbeitung zerstört wird. Aber auch der Kontakt mit anderen, unedleren Metallen kann zum Rosten (Kontaktkorrosion) eines eigentlich als rostfrei eingestuften Stahls führen. Das unedlere Metall reagiert bei Kontakt mit beispielsweise Wasser und Sauerstoff. Es korrodiert. Dabei entzieht es den für die Oxidation benötigten Sauerstoff seiner direkten Umgebung. Die Passivschicht des chromlegierten Edelstahls besteht aus einem Chromoxid, einer chemischen Verbindung aus Chrom und Sauerstoff. An der Kontaktstelle wird der Chromoxidschicht so der Sauerstoff entzogen und die Schutzschicht damit zerstört. Die nun ungeschützte Oberfläche des Edelstahls kann so ebenfalls korrodieren.

Verschiedene Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang und der Bearbeitung von nicht-rostenden Stählen

Aufgrund der genannten Probleme ist beim Umgang und der Bearbeitung von korrosionsbeständigem Stahl einiges zu beachten. Zum Beispiel sollten die Werkzeuge, die für rostfreien Edelstahl verwendet werden, exklusiv dafür verwendet werden und nicht vorher mit anderen Stählen in Berührung gekommen sein. Das schließt die Lagerung der Werkzeuge ein.

Hat es der korrosionsfreie Stahl durch die Bearbeitung geschafft, kann dennoch etwas schiefgehen. Kommt rostfreier Edelstahl nämlich beim Transport mit z.B. Eisen an Gabeln von Gabelstaplern oder Werkzeugen in Berührung, kann durch die entstehenden Flecken erneut eine Korrosionsgefahr begründet werden. Daher muss auch hier besonders darauf geachtet werden, dass nur geeignete Transportmittel zum Einsatz kommen.

Widmen wir uns nun aber der Bearbeitung an sich: Nachfolgend werden verschiedene Bearbeitungsmethoden vorgestellt, was dabei beachtet werden sollte, und welche Werkzeuge zum Einsatz kommen.

Rostfreien Edelstahl schneiden und trennen

Beim Trennen und Schneiden von Edelstahl ist aufgrund der genannten Probleme einiges zu beachten. Während des Schneidvorgangs kann sich Wärme entwickeln oder Flugrost entstehen. Bei der Bearbeitung mit spanenden Verfahren, wie Bohren und Fräsen, ist die Bearbeitung von rostfreien Stählen häufig eine Herausforderung. Zum Beispiel wirkt sich das Legierungselement Nickel negativ auf die Schneidbarkeit und Zerspanungsfähigkeit des Stahls aus. Neben dem Einsatz von speziellen Hochleistungsbohrern und Fräsern ist hier auch auf dem Material angepasste Maschineneinstellungen zu achten. In der Regel wird daher ein abrasives Hilfsmittel beim Edelstahlzuschnitt hinzugefügt. Es folgt ein kleiner Überblick über gängige Methoden, Edelstahl zu schneiden:

  • Wasserstrahlschneiden: Über eine Düse wird ein extrem feiner Wasserstrahl zusammen mit einem abrasiven Material wie Sand mit hohem Druck (bis zu 6000 bar) auf das Metall gelenkt. Der Sand schleift gleichzeitig die Oberfläche und sorgt so für eine geringe Rautiefe. Bei dieser Art des Schneidens entsteht keine Wärme. Dieses Verfahren eignet sich auch für dicke Bleche. Im Vergleich zu den anderen Methoden ist es aber relativ langsam und die Kosten für das zusätzliche Abrasivmittel können je nach Blechdicke hoch ausfallen.
  • Plasmaschneiden: Ebenfalls über eine Düse wird ein elektrisch leitendes Gas (Plasma) auf das Metall gelenkt, wo zwischen Elektrode und Werkstück ein Lichtbogen entsteht, welcher die Oberfläche stark erhitzt und schmilzt. Im Vergleich zum Laser- oder Wasserschneiden entsteht dabei jedoch eine relativ breite Schnittfuge. Vorteile sind aber, dass verschiedenste Konturen umsetzbar sind, dicke Bleche schneidbar sind und das Verfahren generell sehr schnell ist.
  • Laserschneiden: Ein hochfokussierter Laserstrahl wird auf das Metall gelenkt und dieses wird präzise geschmolzen / verdampft. Die Wärmeentwicklung ist dabei lokal stark begrenzt. Mit dem Laserschneiden lassen sich komplexe Konturen umsetzen, es ist ein verschleißfreies Trennen von Edelstahl und sehr präzise und schnell. Laserschneiden eignet sich jedoch weniger für dicke Bleche.
Plasmaschneider in Aktion
Plasmaschneider in Aktion

Rostfreie Stähle fügen und verbinden

Korrosionsbeständige Stähle können auf unterschiedliche Weise gefügt und verbunden werden. Die geeigneten Möglichkeiten hängen dabei stark vom Material und dessen Eigenschaften ab. Mögliche Fügeverfahren sind hier:

  • Schweißen
  • Löten
  • Kleben

Neben dem Umstand, dass sich nicht alle rostfreien Stähle schweißen lassen, birgt gerade das Schweißen die größte Gefahr für Korrosion. Durch die entstehende starke Hitze kann es zur Bildung von Chromkarbiden, innerer Zugspannung oder Anlassen (Oxidation) kommen. Entstehen dabei Risse, ist die Wahrscheinlichkeit einer Spaltkorrosion hoch. Die Schweißnähte sollten nur mit geeignetem Material und Schweißverfahren gezogen werden und nach dem Schweißvorgang immer passiviert werden. Nur so ist die Korrosionsbeständigkeit weiterhin gewährleistet. Durch die passivierte Oberfläche von rostfreiem Edelstahl ist beim Löten ein Flussmittel nötig. Soll nicht-rostender Edelstahl geklebt werden, muss vorher zunächst die Oberfläche angeraut werden. Je glatter die Oberfläche, desto weniger stark bleibt das geklebte Material haften. Durch seine hohe Härte sind spezielle Werkzeuge zum Bohren von Edelstahl nötig. Bei MISUMI gibt es z.B. für die Bearbeitung der verschiedenen Materialien folgende Werkzeuge:

Oberflächenbehandlung und Oberflächenbearbeitung: Rostfreien Edelstahl schleifen und chemisch passivieren

Die Oberfläche von Edelstahl kann man z.B. bürsten, schleifen, polieren oder abstrahlen. Dadurch wird die Oberflächenrauheit von Edelstahl verändert. Je rauer die Oberfläche ist, desto anfälliger wird Edelstahl für Korrosion. Schleifen ist daher ein beliebtes Verfahren zur Oberflächenbehandlung von Metall.

Gängige Verfahren zum Schleifen von Edelstahl sind z.B. das Bandschleifen und das Präzisionsschleifen. Durch Bandschleifen entstehen besonders glatte und hochwertige Oberflächen und es können größere Materialabträge realisiert werden. Mittels unterschiedlichen Körnungen beim Schleifmittel lassen sich aber auch verschiedenste Rauheiten realisieren. Hochwertige Schleifbänder sind entscheidend, damit keine Fremdrostkontamination entsteht. MISUMI hat aus diesem Grund ein breites Sortiment an unterschiedlichen Schleifmitteln für die Edelstahlbearbeitung.

Arbeit mit einer Schleifmaschine
Arbeit mit einer Schleifmaschine

Das Präzisionsschleifen als weiteres Verfahren ist auf höchste Genauigkeit ausgerichtet; vor allem das Nassschleifverfahren ist sehr präzise. Die entstehenden Oberflächen sind besonders eben und parallel. Das kann z.B. beim Thema Toleranzen eine wichtige Rolle spielen, siehe dazu auch den Blog-Artikel Bearbeitungsgrenzen und Genauigkeitsstandards bei Blechteilen sowie Toleranzklassen nach ISO 22081 und DIN ISO 2768: Allgemeintoleranzen optimal einsetzen. Näheres dazu finden Sie auch im meviy-Portal.

Werkzeugauswahl

Für eine effiziente und erfolgreiche Bearbeitung kann schon bei der Auswahl der Werkzeuge einiges berücksichtigt werden. Werkzeuge zur Bearbeitung von Edelstahl sollten selbst eine hohe Härte aufweisen, gleichzeitig aber nicht zu hart sein. Zu hartes Werkzeug kann schnell spröde sein und bricht als Folge bei der Bearbeitung leichter. Zusätzlich können verstärkt Vibrationen bei der Bearbeitung auftreten, wodurch die Oberflächenqualität leidet. Die richtige Härte des Werkzeugs zu bestimmen, ist daher unabdingbar für die Edelstahlbearbeitung. Die Härte richtet sich für Edelstahl und die bearbeitenden Werkzeuge in der Regel nach der Rockwell-Skala (HRC). Typische HRC-Werte für edelstahlbearbeitende Werkzeuge liegen im Bereich von 58 bis 65 HRC.

Je nach Zerspannungsgruppe (z.B. Sägen, Bohren, Fräsen, Präzisionsschleifen) gelten andere Härtebereiche. In der nachfolgenden Tabelle erhalten Sie eine Übersicht, welches Werkzeug sich für welche Härten eignet:

Härte einiger NE-Metalle und Stahlmaterialien und Liste kompatibler Werkzeuge
Werkzeugtyp Wekzeugmaterial Kurzbezeichnung Zu schneidendes Material:
NE-Metall unlegierter Baustahl/Vergütungsstahl
Werkzeugstahl für Kaltarbeit
Vergütete Materialien
legierter Edelstahl / Baustahl / Vergütungsstahl
[C-Gehalt erhöht]
Abgeschreckt und Angelassen oder Geglüht
Werkzeugstahl/Vergütungsstahl/Wälzlagerstahl
Beispiele:
Al, Cu usw.
Beispiele:
SKD11, S45C, S50C, DC53 usw.
Beispiele:
SCM435, HPM2T usw.
Beispiele:
DC53, SKD11, SUJ2, S45C usw.
HRC 5 7.5 10 12.5 15 17.5 20 22.5 25 27.5 30 32.5 35 37.5 40 42.5 45 47.5 50 52.5 55 57.5 60 62.5 65 67.5 70 72.5 75
Bohrer Schnellarbeitsstahl
super hart
SKH-                          
Reibahle Wn-Co                
Gewindebohrer Schnellarbeitsstahl SKH-                          
Wn-Co                
Schaftfräser Schnellarbeitsstahl SKH-                          
Hartmetall Wn-Co                
Bor CBN              
Diamant D 〇 *1 〇 *1 〇 *1                                               〇 *2 〇 *2 〇 *2 〇 *2
Wetzstein weißes geschmolzenes Aluminiumoxid WA                    
braunes geschmolzenes Aluminiumoxid A                            
Hellrosa geschmolzenes Aluminiumoxid                                  
grünes Siliziumkarbid GC
Schwarzes Siliziumkarbid C 〇 *1 〇 *1 〇 *1                                                      
Galvanisiertes Bor CBN        
galvanisierter Diamant D 〇 *1 〇 *1 〇 *1                                               〇 *2 〇 *2 〇 *2 〇 *2
Funkenerodieren (EDM) Elektrolytkupfer, Messing
CU-


Kupferzunge, Silberzunge -Wn
Funkenerodieren (WEDM) Messing CU-Zn
Wolfram Wn
*1 (Nichteisenmetalle)
*2 (Hartmetall)
geeignet

Eng verbunden mit der Härte ist die Verschleißfestigkeit des Werkzeugs. Meist ist rostfreier Edelstahl ein sehr abrasives Material und die verwendeten abtragenden Werkzeuge müssen daher eine hohe Verschleißfestigkeit aufweisen. Eine Beschichtung aus Titannitrid z.B. kann die Verschleißfestigkeit verbessern. Weiterhin sollten Werkzeuge eine hohe Wärmebeständigkeit aufweisen, da bei der Bearbeitung von Edelstahl viel Wärme entstehen kann. Beim Schneiden kann sogar eine Wärme von ca. 800 °C bis 1200 °C entstehen, die sich aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit direkt an der Werkzeugschneide konzentriert.

Bei MISUMI finden Sie aber neben spanenden und Materialabtragenden Werkzeugen auch andere speziell für Edelstahl angepasste Werkzeuge wie z.B. Rohrbieger.

Hinweise für eine erfolgreiche Bearbeitung

Damit Fehler bei der Bearbeitung weitgehend ausgeschlossen werden, kann man sich an folgenden Hinweisen orientieren. Sauberkeit hat oberste Priorität: Durch Partikelübertragung (Flugrost) von anderen Stählen erhöht sich die Korrosionsgefahr auf sonst rostfreien Edelstählen. Aber Sauberkeit betrifft nicht nur die Arbeitsumgebung, sondern auch die Arbeitsmaterialien, wie z.B. Schleifmittel, selbst. Wichtig ist auch, Zeit zur Ausbildung der Passivschicht zu lassen. Bei normalen Umgebungstemperaturen von 20 °C kann die Ausbildung 24-48 Stunden dauern, bei Nässe sogar noch länger. Das sollte beim Bearbeitungszeitfenster mit eingerechnet werden.