Kabelbruch vermeiden - Auswahl der richtigen Energiekette

In vielen Branchen werden Maschinen oder Industrieroboter eingesetzt. Eine stabile Energieversorgung dieser Maschinen ist Grundvoraussetzung, um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Kabelbruch und vorzeitiger Verschleiß können zu teuren Ausfällen führen. Energieketten sorgen für eine sichere Kabelführung, erhöhen die Lebensdauer der Energieleitungen und verbessern die Betriebssicherheit. Doch welche Energiekette passt zu Ihrer Anwendung? Dieser Blog gibt eine schrittweise Anleitung, wie Ihre Energieketten optimal ausgelegt werden, um eine maximale Effizienz und minimale Wartung zu gewährleisten.

Was ist eine Energiekette - Definition, Aufbau und Anwendungsgebiete

Energieketten, auch als Schleppketten oder Kabelketten bezeichnet, sind mechanische Führungssysteme, die in unterschiedlichsten beweglichen Anwendungen dazu dienen, flexible Leitungen wie elektrische Kabel, Hydraulik- oder Pneumatikschläuche sicher zu führen und gleichzeitig vor mechanischen Belastungen zu schützen. Sie kommen überall dort zum Einsatz, wo bewegliche Maschinenkomponenten eine mitlaufende Energie- und Datenversorgung benötigen, beispielsweise in Industrierobotern, Werkzeugmaschinen oder Förderanlagen.

Kettenglieder bilden das Grundelement der Energiekette und bestehen meist aus hochfestem Kunststoff oder Metall. Sie verbinden sich zu einer flexiblen Kette, die sich in einem definierten Radius biegen kann. Dank ihres modularen Aufbaus kann die Länge der Kette je nach Anforderung angepasst werden. Die Seitenglieder sind die stabilen, tragenden Elemente der Kette. Sie sorgen für die Verbindung zwischen den einzelnen Gliedern und bestimmen dadurch die Stabilität der gesamten Konstruktion. Querstäbe und Trennstege halten die Kabel und Schläuche in definierten Kanälen innerhalb der Energiekette. Anschlussstücke werden am Anfang und am Ende der Schleppkette montiert. Sie dienen der stabilen Befestigung an Maschinen und Anlagen.

Energieketten aus Kunststoff sind leicht, korrosionsbeständig und bieten eine hohe Flexibilität bei gleichzeitig geringem Wartungsaufwand. Sie sind ideal für dynamische Anwendungen in Maschinen und Automatisierungssystemen. Energieketten aus Metall sind äußerst robust und temperaturbeständig. Sie eignen sich besonders für Schwerlastanwendungen, extreme Umgebungen oder lange Verfahrwege mit hohen mechanischen Belastungen.

Beispiel einer Energiekette in einem umgekehrten Greifersystem
Beispiel einer Energiekette in einem umgekehrten Greifersystem

Vorgehensweise zur Auswahl von Energieketten

Die Wahl der passenden Energiekette bzw. Schleppkette ist ausschlaggebend für die sichere und langlebige Führung von Kabeln und Schläuchen in beweglichen Anwendungen. Eine falsch dimensionierte Schleppkette kann zu übermäßigem Verschleiß, Kabelbruch oder mechanischen Schäden führen. Um dies zu vermeiden, müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden, darunter die Bauform, Größe und Tragfähigkeit der Kette. Eine reibungslose Integration von Energieketten setzt außerdem das genaue Verständnis für Komponenten in linearen Bewegungsabläufen voraus.

Übersicht zur Vorgehensweise bei der Auswahl der richtigen Energiekette
Übersicht zur Vorgehensweise bei der Auswahl der richtigen Energiekette

Schritt 1: Vorläufige Auswahl der Energiekettenausführung

Energieketten gibt es in verschiedenen Ausführungen, die sich in Material, Bauweise und Konstruktionsprinzip unterscheiden. Diese Unterschiede beeinflussen maßgeblich die Eigenschaften der Kette, wie ihre Tragfähigkeit, Flexibilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen. Je nach Anwendungsbereich sind unterschiedliche Energiekettentypen erforderlich.

Bei der geschlitzten Ausführung können Kabel für eine schnelle Installation durch eine Öffnung in die Kette eingeführt werden. Die Kompaktausführung verzichtet auf klappbare Elemente, wodurch sie besonders platzsparend, robust und widerstandsfähig gegen äußere Einflüsse ist. Eine klappbare Abdeckung hingegen bietet maximale Flexibilität, da sich die Klappen entweder von rechts oder links öffnen lassen, was die Wartung und Nachrüstung der Kabel erleichtert.

Beispiel Energiekette in geschlitzter Ausführung
Beispiel Energiekette in geschlitzter Ausführung
Beispiel Energiekette in kompakter Ausführung
Beispiel Energiekette in kompakter Ausführung
Beispiel Energiekette mit klappbarer Abdeckung
Beispiel Energiekette mit klappbarer Abdeckung

In der nachfolgenden Übersicht finden Sie eine Auflistung der unterschiedlichen Ausführungen und in welchen Ausführungen die unterschiedlichen Serien von MISUMI erhältlich sind.

Energieketten - Methoden zum Öffnen und Schließen
Ausführung MISUMI Serien Eigenschaften
Geschlitzte Ausführung SE, SZ - Kabel/Schläuche können einfach über äußere und innere Umfänge eingeführt werden
- Verfügbar für Reinraumumgebung
- Montage der Kabelglieder ist nicht erforderlich
Kompaktausführung MHPKS - Platzsparende Ausführung für Schutz und Führung auch bei einem Kabel/Schlauch.
Abdeckung klappbar, offen


MHPUS - Klappen können beidseitig geöffnet werden.
Abdeckung klappbar, geschlossen FHPS - Geschlossene Ausführung schützt Kabel/Schläuche vor Staub.
Reibungsarme, geräuscharme Ausführung MPSPS - Geringere Reibung an Kabeln/Schläuchen verursacht weniger Geräusche.
Ausführung mit geringer Partikelbildung, geräuscharm MPSCS - Geringe Partikelbildung hilft beim Erreichen der Reinraumklasse 1.000 und verursacht weniger Geräusche.

Schritt 2: Wahl der Energiekettengröße

Bei der Auswahl der Energiekettengröße sind einige wichtige Punkte zu beachten:

  • Höhe: Der maximale Außendurchmesser des Kabels/Schlauchs darf nicht mehr als 80% der Innenhöhe der Energiekette betragen.
  • Platzbedarf: Querschnitte von Kabeln/Schläuchen dürfen nur weniger als 60% der verfügbaren Fläche in der Energiekette belegen. Verfügbarer Raum = Innenhöhe x Innenbreite.
  • Biegeradius: Beim Unterbringen verschiedener Kabel-/ Schlauchausführungen muss jede Leitung einzeln auf ihren minimalen Biegeradius hin überprüft werden. Der Größte der ermittelten Biegeradius-Werte bildet die Basis für die Auswahl. Der minimale Energiekettenbiegeradius sollte den Mindestbiegeradius der zu führenden Leitungen nicht unterschreiten.
  • Abstand zur Innenwand: Der Abstand zwischen laufendem Kabel/Schlauch und Innenwand der Energiekette muss mindestens 10% des Außendurchmessers des laufenden Kabels/Schlauchs betragen.
  • Abstand zu Kabeln/Schläuchen: Der Abstand zwischen benachbarten Kabeln/Schläuchen muss mindestens 10% des Außendurchmessers des dickeren Kabels/Schlauchs betragen.
Darstellung der Maße und Größenverhältnisse einer Energiekette und darin enthaltener Kabel/Schläuche
Darstellung der Maße und Größenverhältnisse einer Energiekette und darin enthaltener Kabel/Schläuche

Schritt 3: Freitragende Länge von Energieketten berechnen

Die freitragende Länge bezeichnet den Abschnitt der Energiekette, der ohne zusätzliche Unterstützung (wie Führungskanäle oder Stützprofile) stabil bleibt, also weder durchhängt noch aufliegt. In diesem Bereich trägt die Kette ihr eigenes Gewicht sowie das der geführten Kabel und Schläuche. Die freitragende Länge bestimmt, ob eine Energiekette ohne zusätzliche Führungssysteme verwendet werden kann. Wird die freitragende Länge überschritten, beginnt die Kette durchzuhängen oder aufzuliegen, was wiederum die Funktion beeinträchtigen und die Lebensdauer der Energiekette sowie der geführten Leitungen reduzieren kann.

Die Berechnung der freitragenden Länge hängt von der erforderlichen freien Bewegung, dem Biegeradius und der Position des festen Endes ab. Der Biegeradius definiert, wie stark sich die Energiekette biegen darf, ohne die geführten Kabel oder Schläuche mechanisch zu überlasten. Er wird anhand der Kabeldurchmesser und ihrer Mindestbiegeradien festgelegt. Der Bewegungshub ist der gesamte Weg, den das bewegliche Maschinenteil zurücklegt – die Energiekette muss diesen vollständig abdecken können. Die Position des festen Endes beeinflusst ebenfalls die Berechnung. Ist das feste Ende der Energiekette in der Mitte des Bewegungshubs positioniert, so ergibt sich die freitragende Länge aus der Hälfte des Bewegungshubs. Befindet sich das feste Ende außerhalb der Mitte, ist ein zusätzlicher Anpassungsfaktor zu berücksichtigen, da die Energiekette einen längeren oder kürzeren Abschnitt freitragend zurücklegen muss.

Grafik zur Berechnung der freitragenden Länge einer Energiekette
Freitragenden Länge (FLG) einer Energiekette

• R - Biegungsradius
• S - gesamter Bewegungshub
• S/2 - Hälfte des Bewegungshubs
• FLG - freitragende Länge
• ME - bewegliches Ende
• FE - festes Ende

Schritt 4: Traglast und freitragenden Laufbereich bestätigen

Die freitragende Länge einer Energiekette steht in direkter Beziehung zur getragenen Last, also dem Gewicht der in der Kette geführten Kabel und Schläuche sowie der Kette selbst. Diese Beziehung wird maßgeblich von der Bauweise und Ausführung der Energiekette beeinflusst.

Im Wesentlichen gilt: Je schwerer die Last, desto kürzer ist die maximal mögliche freitragende Länge, es sei denn, die Energiekette ist speziell für hohe Belastungen ausgelegt. Die nachfolgenden Lastdiagramme zeigen beispielhaft, wie sich die maximal zulässige freitragende Länge in Abhängigkeit von der Last verhält. Diese Diagramme helfen dabei, die richtige Dimensionierung zu treffen.

Lastdiagramm - Energiekette SE, SZ in geschlitzter Ausführung
Lastdiagramm - Energiekette SE, SZ in geschlitzter Ausführung
Lastdiagramm - Energiekette MHPKS
Lastdiagramm - Energiekette MHPKS, in Kompaktausführung
Lastdiagramm - Energiekette MHPUS
Lastdiagramm - MHPUS, Energiekette in klappbarer Ausführung
Lastdiagramm - Klappbare Energiekette FHPS
Lastdiagramm - FHPS, Klappbare Energiekette, geschlossene Ausführung
Lastdiagramm -  Energiekette MPSP
Lastdiagramm - MPSPS Reibungsarme, geräuscharme Energiekette
Lastdiagramm - Geräuscharme Energiekette MPSCS
Lastdiagramm - MPSCS, Geräuscharme Energiekette mit geringer Partikelbildung

Schritt 5: Gliederanzahl berechnen

Die richtige Anzahl an Gliedern einer Energiekette sorgt für eine optimale Bewegungsführung und eine zuverlässige Kabelführung. Die Gliederanzahl muss so berechnet werden, dass der gesamte Bewegungshub abgedeckt wird, ohne dass die Kette zu stark gespannt oder gestaucht wird. Dabei spielen Faktoren wie der Bewegungshub, der Biegeradius sowie die Position des festen Endes eine zentrale Rolle. Mithilfe einer einfachen Formel lässt sich die benötigte Gliederanzahl genau bestimmen, um eine reibungslose Funktion und eine lange Lebensdauer der Energiekette sicherzustellen. In den meisten Fällen ist das Ergebnis eine Dezimalzahl, die aufgerundet werden sollte, um Spannung zu vermeiden.

n = \frac{\frac{S}{2} + K + A}{P}

• n = Gliederanzahl
• S = Bewegungshub
• K = Bogen + Spielraum (siehe Datenblatt)
• A = Abstand von S/2 in mm (siehe Skizze oben)
• P = Kettengliedabstand

Bei der Berechnung der Gliederanzahl sollte ein Sicherheitszuschlag eingeplant werden, insbesondere bei dynamischen Anwendungen, um Spannung und Verschleiß zu minimieren. Zudem ist es wichtig, die Herstellerangaben zu beachten, da diese spezifischen Empfehlungen zur Länge, zum Biegeradius und zur Belastbarkeit der Energiekette geben. Dies stellt eine optimale Funktion und Langlebigkeit sicher.

Hinweise für lange Verfahrwege bei Energieketten

Bei langen Verfahrwegen kann die Energiekette häufig nicht mehr ausschließlich freitragend eingesetzt werden, da das Eigengewicht der Kette und der geführten Kabel zu einem unkontrollierten Durchhängen führen würde. Um die Stabilität und Funktionalität der Kette zu gewährleisten, werden spezielle Führungssysteme oder Rollensysteme verwendet. Diese reduzieren den Verschleiß und sorgen für eine gleichmäßige Bewegung der Energiekette.

Bei langen Verfahrwegen können auch spezielle Führungskanäle zum Einsatz kommen, um eine reibungsarme Bewegung zu ermöglichen. Diese sind besonders in industriellen Anwendungen mit mittleren bis langem Hub üblich, beispielsweise in Werkzeugmaschinen, Gurtförderern oder Förderanlagen.

Beispielabbildung - Energiekette auf einem Führungskanal
Beispielabbildung - Energiekette auf einem Führungskanal

Für sehr lange Verfahrwege sind Rollen-Energieketten eine effiziente Lösung. Statt die Energiekette auf sich selbst gleiten zu lassen, wird sie auf Rollen gelagert, wodurch der Reibungswiderstand drastisch reduziert wird. Durch den gezielten Einsatz von Führungs- und Rollensystemen kann die Lebensdauer der Energiekette erheblich verlängert werden. Die Wahl des richtigen Systems hängt von der Länge des Verfahrweges, der Geschwindigkeit der Bewegung und der Belastung ab.